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Interview des Monats

«Ich möchte dem Nachwuchs meine Rennvisionen vermitteln»

Rollenwechsel: Tristan Marguet lauscht aufmerksam den Instruktionen des ehemaligen Bahn Nationaltrainers Daniel Gisiger – dieses Mal nicht mehr als Fahrer, sondern als Trainer. Bild: Ulf Schiller

Tristan Marguet hat seine Karriere im Dezember beendet. Der 34-jährige Walliser hält dem Radsport jedoch die Treue, indem er bei Swiss Cycling als Assistent von Bahn-Nationaltrainer Mickaël Bouget wirkt und sich um den Nachwuchs auf der Bahn sowie die U19-Frauen auf der Strasse kümmert. Der ehemalige Bahnspezialist, auch «Rocketman» genannt, spricht über seinen fliegenden Wechsel und die bei ihm anstehenden Herausforderungen.

Der Januar ist für die Schweizer Athletinnen und Athleten die Zeit der Trainingscamps in südlichen Gefilden. Wir stellen uns vor, dass dir das Zuhausebleiben in diesem Jahr eigenartig vorkommen muss …

Ja, vor allem, wenn du in den sozialen Netzwerken siehst, dass alle Kollegen zum Training nach Mallorca reisen. Gleichzeitig ist es ganz okay, dass ich bei minus 3 Grad nicht mehr rausgehen muss, um in der Gegend herumzufahren (lacht).

Als Trainer wirst du aber immer noch unterwegs sein.

Klar, im Februar stehen mehrere Trainingscamps auf meinem Plan. Diese werden jedoch in Grenchen stattfinden.

War es immer schon dein Ziel, auch nach der Karriere im Radsport tätig zu sein?

Es stimmt, dass ich das seit drei, vier Jahren im Kopf hatte. Ich hätte jedoch nie gedacht, dass alles so schnell gehen würde. Es gab keinerlei Unterbrechung. Ich habe eine Karriere beendet und gleich die nächste begonnen.

Du bist nicht nur auf der Bahn tätig, sondern kümmerst dich auch um das Juniorinnen-Strassen-Nationalteam. Gefällt dir diese Aufgabe?

Als Swiss Cycling mir die Stelle angeboten hat, ist die Förderung des Frauenradsports bei mir sofort auf grosses Interesse gestossen. Besonders interessant finde ich, dass es um den Nachwuchs geht. Ich liebe es, Talente ausfindig zu machen und aufzuzeigen, dass es Mädchen gibt, die sich dem Radrennsport verschreiben wollen.

Was genau möchtest du als Bahnexperte dem Nachwuchs vermitteln?

Ich möchte den Jungen beibringen, wie man sich auf wichtige Wettkämpfe wie Weltcups und Weltmeisterschaften vorbereitet und dabei Stresssituationen vermeidet. In jenen Rennen, die ich als Aktiver gewonnen habe, war ich nicht immer der Stärkste. Ich wusste jedoch, wie ich mich positionieren und wann genau ich zum Angriff übergehen musste. Ich würde dem Nachwuchs gerne meine Rennvisionen vermitteln, damit der Nationaltrainer Mickaël Bouget sich im U23-Alter auf die physischen und technischen Belange konzentrieren kann.

Du hast dich als Radrennfahrer vielfach auf deinen Instinkt verlassen. Wie kannst du dieses Gespür für das Rennen an die Jungen weitergeben?

Zunächst einmal versuche ich ihren Fahrstil zu analysieren und sie zu verstehen. Bei meinem ersten Treffen mit den Junioren habe ich sie erst einmal fahren lassen und nur beobachtet. Danach habe ich sie zusammengerufen und ihnen meine Tipps gegeben: Man sollte nie angreifen, wenn es zu leicht geht, denn dann ist es vorhersehbar, und alle können sich darauf einstellen. Es geht vielmehr darum, den bestmöglichen Moment abzuwarten, indem man seine Gegner zum Beispiel mit einem Angriff überrascht, nachdem bereits ein Angriff erfolgt ist und alles schon mit hoher Geschwindigkeit fährt. Ich war verwundert, wie rasch sie meinen Ansatz kapiert und umgesetzt haben.

Du wirst als Assistent des Elite-Nationaltrainers auch mit Rennfahrern arbeiten, die du während Jahren als Teamkollegen erlebt hast. Ist es von Vorteil, sie bereits gut zu kennen, um sie voranbringen zu können?

Am Anfang war es nicht so einfach für sie, weil ich wirklich von heute auf morgen die Seite gewechselt hatte und ihnen seither Ratschläge gebe. Ich habe aber das Gefühl, dass sie gewillt sind, stets Neues dazuzulernen. Ich hoffe, sie mit meiner Rennvision unterstützen zu können.

Hast du dir als Trainer persönliche Ziele gesetzt?

Mir liegt sehr viel daran, den Jungen die Freude am Radsport weiterzugeben, damit sie diese Freude an andere Jugendliche weitergeben können. So können wir die nationalen Nachwuchskader erweitern, mehr Rennfahrer auf nationaler Ebene haben und Wettkämpfe in der Schweiz organisieren.

Fast 20 Jahre lang warst du «Schüler» des legendären Daniel Gisiger, der sich Ende 2021 in die Pension verabschiedet hat. Wirst du seinen Spirit und seine Methoden bei Swiss Cycling weitertragen?

Von Daniel habe ich sehr viel gelernt, und das Gelernte würde ich gerne an alle Jungen weitergeben. Daniel hat ein besonderes Talent, wenn es um die Kommunikation mit den Athleten geht. Er weiss immer, was zu tun ist und wie es zu tun ist. Möglicherweise habe ich nicht Daniels Talent, aber vielleicht habe ich ja ein anderes. Auf jeden Fall werde ich versuchen, den familiären Stil, den er im Team geschaffen hat, zu bewahren.

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