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Marcello Albasini

«Das Nationalteam hat etwas Besonderes»

Der Sohn übernimmt: Marcello Albasini übergibt das Steuerrad an Michael Albasini. Bild: Keystone-SDA

An der Tour de Romandie schliesst sich ein Kreis – Marcello Albasinis steht letztmals in einem bedeutenden Rennen für Swiss Cycling im Einsatz. Er fühle sich wie ein Bauer, der seinen Hof in gute Hände übergeben könne, hält der Thurgauer fest.

Hier ein lockerer Spruch, da ein guter Rat, dort ein aufmunterndes Lächeln. Marcello Albasini behagt die Rolle, welche er an der Tour de Romandie innehat. Der 64-Jährige, bis Ende 2020 Nationaltrainer Strasse, wirkt bei der Auswahl von Swiss Cycling als Assistent seines Sohnes und Nachfolgers Michael Albasini. Letzterer war fast 20 Jahre lang als Strassenprofi unterwegs, verfügt über reichlich Erfahrung und ist trotzdem heilfroh, bei der Premiere im grossen Schaufenster auf den väterlichen Support zählen zu können. Der fliegende Seitenwechsel beschert ihm einen neuen Aufgabenbereich, der Knowhow-Transfer erleichtert den Einstieg. Für Marcello Albasini handelt sich in der Westschweiz um die Abschiedsvorstellung – nicht um den Abschied vom Radsport, aber um jenen von Swiss Cycling. Es passt zur Vita des Thurgauers, hat dieser Abschied eine familiäre Komponente.

Radsport ist bei den Albasinis Familiensache. Ehefrau Margrit, im Wohnort Lanterswil 40 Jahre lang als Primarlehrerin tätig, zog von Beginn weg voll mit. «Phasenweise waren drei unserer vier Kinder Mitglieder eines Nationalkaders», sagt Marcello. Im Dorf habe sich vieles ums Velofahren gedreht; «es gab Zeiten, in denen alle Schülerinnen und Schüler in der Klasse meiner Frau eine Rennlizenz gelöst hatten.» Wobei die Kinder nicht nur dem Vater nacheiferten, erwarben doch gleich deren drei das Lehrerpatent – Michael inklusive.

Vater Marcello war im Glarnerland aufgewachsen, hatte dort als Jugendlicher Radwettkämpfe bestritten. «Einmal befand ich mich Urs Freuler vor dem Feld. Ich war zwar ein Jahr älter als er, aber als er 500 Meter vor dem Ziel den Sprint anzog, war das Rennen entschieden.» Später eröffnete er im Thurgau ein Velogeschäft, gründete mit Kollegen den VC Bürglen-Märwil, liess sich zum Trainer ausbilden. 1997 übernahm er das Schweizer Junioren-Nationalteam, 1998 feierte er in Form von Fabian Cancellaras Junioren-WM-Titel im Zeitfahren den ersten grossen Erfolg als Trainer. Es folgten der Wechsel in die U23-Kategorie mit weiteren Erfolgen, unter anderem dem Triumph seines Sohnes Michael an der EM in Bergamo. «Wir hatten nicht nur Fabian und Michi, sondern auch David Loosli und Gregy Rast, da war eine sehr starke Gruppe beisammen», hält Marcello Albasini fest.

Ende 2008 verabschiedete er sich von Swiss Cycling und verbrachte fast ein Jahrzehnt lang als Radsport-Nomade; die Spanne der Engagements reichte von einem Entwicklungsprojekt für Radsportler aus Drittweltstaaten bis in die World Tour. 2017 erfolgte die Rückkehr zum Verband. Wirkte er zuerst als Assistent an Rundfahrten und Titelkämpfen, übernahm er im Sommer 2019 als Nachfolger des im Zuge der Aufdeckung seines Dopingvergehens entlassenen Danilo Hondo die Funktion des Elite- und U23-Nationaltrainers. Albasini führte die Landesauswahl an die Tour de Suisse sowie an je zwei Welt- und Europameisterschaften. Just diese letzten Saisons bezeichnet er auf die entsprechende Frage hin als «die wahrscheinlich schönsten» in seiner Trainerlaufbahn – nicht nur der vielen und grossen Erfolgserlebnisse wegen: «Das Nationalteam hat etwas Besonderes. Es kommt gut an bei den Zuschauenden; die Athleten spüren das, saugen die Ambiance auf.» Was sich positiv auf die Stimmung innerhalb der Gruppe auswirke. Marcello Albasini spricht langsam, wählt die Worte mit Bedacht – und resümiert, es sei eine wirklich schöne Zeit gewesen: «Es hätt eifach gfegt». Den Aussagen lässt sich tiefe Befriedigung entnehmen.

Nach der Tour de Romandie verlässt er den Verband – ohne Wehmut, dafür mit vielen schönen Erinnerungen im Kopf. Er fühle sich wie ein Bauer, der seinen Hof in gute Hände übergeben könne, hält er schmunzelnd fest. Zurückschalten wird er noch nicht – im Gegenteil: Im neuen Continental-Team Nippo Provence PTS kümmert er sich um sehr vieles. Er mag die Arbeit an der Basis, sieht sich jedoch primär in der Rolle des Aufbauhelfers. Er sei sehr motiviert, aber nicht mehr der Jüngste, hält er fest. «Ich gehe davon aus, dass ich es merken werde, wenn der Zeitpunkt zum Abgang gekommen ist. Und falls dies nicht der Fall sein sollte, wird mein Sohn es mir hoffentlich sagen.» Was ebenfalls zur Vita von Marcello Albasini passen würde.

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