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„Nationalteams an der Tour de France – das wäre attraktiv“

Assos/Phil Gale

Thomas Peter (hier an der Strassen-WM 2018 in Innsbruck): „Es geht nicht darum, dass wir einen Zirkus veranstalten.“ Bild: Phil Gale/zvg

Die Schweiz beherbergt 2020 in Aigle/Martigny und 2024 in Zürich die Strassen-Weltmeisterschaften. Als Fördermassnahme kann Swiss Cycling in dieser Woche an der Tour de Romandie und später im Juni an der Tour de Suisse mit einem Nationalteam teilnehmen. Sportdirektor Thomas Peter spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über die Chancen und Herausforderungen dieses Projekts. Und der 40-jährige Berner bringt eine revolutionäre Idee ins Spiel, welche den Strassenradsport noch attraktiver machen könnte.

Dank einer Reglementsänderung des Weltverbandes UCI darf Swiss Cycling die beiden World-Tour-Rundfahrten in der Schweiz mit einem Nationalteam beschicken. Was sind, längerfristig gesehen, Ihre Erwartungen von diesem Projekt?
Thomas Peter: Wir haben drei Jahre lang dafür gekämpft, bis es endlich geklappt hat. Dank viel politischer Arbeit im Hintergrund haben wir im letzten Herbst die Zusage erhalten, mit der finalen Begründung, dass wir in der Schweiz weder ein World-Tour- noch ein Pro Continental-Team haben. Wir sehen das in erster Linie als Fördermassnahme für die Athleten. Die Möglichkeiten sind gut, jenen Fahrern eine Perspektive zu bieten, sich auf der World Tour zu präsentieren. Damit kommen sie auf den Radar von anderen Mannschaften.

Ihre Fahrer werden also versuchen, die Rennen zu animieren?
Es geht nicht darum, dass wir eine Show oder einen Zirkus veranstalten. Wir können aber mit taktischen Varianten versuchen, dem Rennen einen anderen Charakter zu geben und auf diese Weise unsere Chancen zu bekommen. Unsere Philosophie unterscheidet sich von jener der anderen Teams. Als Nationalteam fahren wir nicht jede Woche World-Tour-Rennen, wir müssen uns hier auch nicht auf die Tour de France vorbereiten.

Knapp zweieinhalb Wochen Rennbetrieb auf höchstem Niveau, das kostet den Verband bestimmt eine ordentliche Stange Geld?
Die Investitionen sind gross. Unsere Idee war, zusätzliche Partner ins Boot zu holen, die uns dabei unterstützen. Jemand, der sagt, die Ideologie, die ihr vertretet, gekoppelt mit der TV-Präsenz, das ist für uns interessant. Im kleinen Rahmen ist uns das gelungen, aber nicht auf jenem Niveau, auf welchem wir uns erhofft hatten. Deshalb müssen wir die Investitionen zu einem beträchtlichen Teil selber tragen.

Welche Investitionen sind das konkret?
Nebst dem Nationaltrainer beschäftigen wir einen sportlichen Leiter. Wir benötigen zusätzliche Mechaniker und Physiotherapeuten. Bezüglich der Infrastruktur am Start und am Ziel konnten wir nicht so gross fahren wie gewünscht. Den Fahrern steht ein gemieteter Camper zur Verfügung, damit sie sich bei schlechtem Wetter an der Wärme vorbereiten können. Das ist natürlich nicht mit dem Standard der World-Tour-Teams zu vergleichen. Trotzdem sollte es unserer Meinung nach die Leistungen der Fahrer nicht beeinträchtigen. Alles in allem fallen für uns für beide Rundfahrten Investitionen im sechsstelligen Bereich an.

Und wie sieht es nach 2019 aus?
Das wissen wir noch nicht. Wir haben die Hoffnung, dass wir als Fördermassnahme für den Spitzensport bis zur WM 2024 ein Nationalteam stellen können. Die Bewilligung der UCI gilt vorerst für ein Jahr. Letztendlich spielt es auch eine Rolle, wie sich die Team-Situation in der Schweiz als Ganzes entwickelt.

Wenn daraus ein neues Schweizer Pro Continental- oder World-Tour-Team entstehen sollte, wäre das sicher in Ihrem Sinn?
Selbstverständlich. Meine Idealvorstellung zielt jedoch darauf ab, dass wir als Nationalteams diese Rundfahrten bestreiten. Wenn an der Tour de France das Team Frankreich gegen das Team England, das Team Italien und das Team Schweiz fahren würde, dann könnten wir bezüglich Resonanz in ganz andere Dimensionen vorstossen. Für die breite Öffentlichkeit würden die Strassenrennen wesentlich interessanter. Heute gibt es auf der World Tour jedes Jahr etliche Sponsoren-, Namens- und Fahrerwechsel. Für durchschnittlich sportaffine Zuschauer ist es fast nicht möglich, die Übersicht zu behalten.

Die Idee käme einer Revolution im Radsport gleich.
Klar, es gäbe natürlich diverse Hürden, vor allem sportpolitisch. Es wäre eine riesige Herausforderung, einen solchen Systemwechsel herbeizuführen. Am Ende glaube ich aber, dass damit die Beliebtheit des Radsports nochmals massiv gesteigert werden könnte.

Interview: Dominik Moser/sda
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