Interview
«Die WM wird zu einem riesigen Fest werden»
Swiss Cycling-Geschäftsführer Thomas Peter spricht über Aktivitäten rund um die Rad- und Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaften in Zürich sowie Herausforderungen rund um die Olympischen Sommerspiele in Paris.
Das Radsportjahr 2024 ist reich befrachtet. Was geht dir durch den Kopf, wenn du an die kommenden Monate denkst?
Thomas Peter: Es fühlt sich an, als würden wir auf die Zielgerade einbiegen. Nun ist der Moment gekommen, auf den wir jahrelang hingearbeitet haben – seit der Doppelvergabe an der WM 2018 in Innsbruck. Nach der Enttäuschung über die Absage der Strassen-WM 2020 im Wallis rückten das Jahr 2024 und die WM in Zürich noch stärker in den Mittelpunkt. Das hat natürlich auch mit Olympia zu tun.
Inwiefern?
Aus der Schweiz ist man mit dem Zug in wenigen Stunden in Paris, näher werden die Sommerspiele der Schweiz wohl nie mehr kommen. Entsprechend wird die Aufmerksamkeit noch höher sein, als sie es bei Olympia sowieso schon ist.
Das dürfte nach dem Grosserfolg von Tokio auch für die Erwartungshaltung gelten.
Wer Erfolg hat, wird daran gemessen; das ist uns natürlich bewusst. Gleichzeitig ist uns allen klar, dass sich Tokio nicht wiederholen lässt. Sechs Medaillen, verteilt auf drei Sportarten – das war unglaublich. In Japan hat schlicht sehr vieles zusammengepasst, und wir wurden für unsere akribische Vorbereitung belohnt. In Frankreich fallen diesbezüglich relevante Faktoren weg.
Woran denkst du?
In Paris stellt weder die Anreise noch das Klima eine grössere Herausforderung dar, auch wenn es ebenfalls sehr heiss werden kann; wir können uns durch Knowhow und Einsatzbereitschaft kaum Vorteile verschaffen. Natürlich werden wir auch in Paris ein starkes Team am Start haben, natürlich wollen wir wiederum eine Medaille gewinnen. Aber letztlich definieren wir uns nicht über einzelne Events, sondern über Zeiträume.
Warum?
Weil das Bild auf diese Weise aussagekräftiger ist. Die Jahre 2021 und 2022 waren ausserordentlich erfolgreich, 2023 lief es zumindest bei der Elite nicht ganz so gut. Ich denke nicht, dass die Schweizer Athletinnen und Athleten im vergangenen Jahr schwächer waren. Die Leistungsdichte an der Weltspitze ist in einer hochentwickelten Sommersportart einfach extrem hoch, oft entscheiden Nuancen über die Vergabe der Podestplätze. Stefan Küng kann ein Lied darüber singen.
Wie geht man als Landesverband mit dieser Ausgangslage um?
Wir fokussieren uns auf die Prozesse, konzentrieren uns darauf, die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen, immer einen oder zwei Schritte vorauszudenken. Kernziel ist stets, Athletinnen und Athleten in verschiedensten Bereichen zu unterstützen, das kann auch mal in einem unkonventionellen Bereich sein. Was dann letztlich herausschauen wird, können wir kaum beeinflussen.
„Wir werden im Restaurant Chiffon in der Innenstadt direkt an der Strecke das Swiss Cycling House betreiben – das Lokal für die Schweizer Fans mit entsprechendem Ambiente, Grossleinwänden in der Gartenwirtschaft und allem, was dazugehört.“
Kehren wir zur Rad- und Para-Cycling-Strassen-WM zurück: Was für einen Event werden wir im September in Zürich erleben?
Einen stimmigen, einen wunderschönen, einen grossen. In der WM-Woche werden zwischen 700 000 und einer Million Leute an der Strecke stehen. Was die Anzahl der Zuschauenden betrifft, ist die Rad-WM die grösste Sportveranstaltung auf Schweizer Boden seit der Fussball-Euro 08. Im Moment wird sie in der Öffentlichkeit leider noch nicht als das wahrgenommen, was sie ist. Die WM wird zu einem riesigen Fest werden.
Worauf beruht die falsche Wahrnehmung?
Das müssten wir die Medienschaffenden fragen. Sicherlich hat die öffentliche Debatte, welche sich in den letzten Jahren fast ausschliesslich um die Einsprachen gedreht hat, nicht geholfen. Es wurde über Probleme diskutiert, über eine Absage spekuliert. Chancen und Perspektiven kamen, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Das hemmt die Entwicklung eines solchen Projekts, beispielsweise im Sponsoringbereich. Dabei bietet diese WM potenziellen Partnern nur schon aufgrund ihrer Dimension eine hervorragende Bühne, sich zu präsentieren.
Wie wird sich Swiss Cycling an der WM präsentieren?
Die WM soll zu einem Velofest für alle werden und ganz besonders zu einem aussergewöhnlichen Erlebnis für unsere Radsportfans. Wir werden im Restaurant Chiffon in der Innenstadt direkt an der Strecke das Swiss Cycling House betreiben – das Lokal für die Schweizer Fans mit entsprechendem Ambiente, Grossleinwänden in der Gartenwirtschaft und allem, was dazugehört. Wir werden den Fans schon im Vorfeld etwas bieten, ab Frühling wird es im Swiss Cycling House regelmässig Veranstaltungen geben.
Nach der ersten inklusiven Strassen-WM folgt gleich die erste kombinierte Mountainbike-WM im Wallis. Wie lassen sich in der kleinen Schweiz innert zwei Jahren zwei Radsportanlässe mit derart grosser Strahlkraft durchführen?
Das funktioniert nur mit langfristiger Planung. Vor gut zehn Jahren legten wir unsere Eventstrategie fest, deren Kernziel darin besteht, unseren Athletinnen und Athleten die Möglichkeit zu bieten, im eigenen Land Welt- und/oder Europameisterschaften zu bestreiten. Es begann mit Weltcups sowie einer Bahn-EM und erreichte 2018 mit der MTB-WM in Lenzerheide den ersten Höhepunkt. Nun stehen wir vor dem nächsten Highlight.
Und was wird danach kommen – gibt es bereits Gedankenspiele?
Sogar schon ein bisschen mehr. Zur Debatte steht, dass die European Championships 2030 in der Schweiz durchgeführt werden. Das Projekt wurde nach den Olympia-Ideen zurückgestellt und soll nun wieder aufgenommen werden. Noch wissen wir aber nicht, wie es weitergehen wird. Gleichzeitig arbeiten wir an einem internationalen BMX-Event in der Schweiz; wir würden diese Lücke gerne schliessen. Und dann gibt es noch die Vision UCI Cycling World Championships.
Passt dieses Format zur Schweiz?
Meines Erachtens sind unsere Voraussetzungen nahezu perfekt. Gewiss, der Event ist gross, aber er ist nicht annähernd gigantisch. Glasgow war stimmig, die Schotten haben das im letzten Sommer ausgezeichnet gemacht, die Sportarten auf mehrere Hubs verteilt. Auf diese Weise lässt sich das auch bei uns umsetzen. Zudem dürfte das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag bei keinem anderen grossen Schweizer Sportevent so gut sein.