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WM Imola

Die starke Vorstellung wird mit Bronze belohnt

Im Kreis der Besten angekommen: Stefan Küng gewinnt im Zeitfahren seine erste Elite-WM-Medaille. Bild: Frontalvision

Stefan Küng ist im Zeitfahren in der absoluten Weltspitze angekommen. Ein Jahr nach seinem Bronze-Coup im Strassenrennen in Yorkshire schafft es der Thurgauer als Dritter in Imola auch in seiner eigentlichen Paradedisziplin erstmals bei einer WM aufs Podest.

Auf diesen Moment hat Stefan Küng lange gewartet. Neben dem neuen Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna aus Italien und dem belgischen Alleskönner Wout van Aert wartet der 26-Jährige etwas ungeduldig, bis er seine bronzene Auszeichnung in Empfang nehmen kann. Dann, beim Betreten des Siegerpodests, bleibt er mit dem linken Schuh kurz an der Treppe hängen, kann einen Sturz aber gerade noch verhindern. Der kleine Stolperer vor der Medaillenübergabe ist zum Glück der einzige Ausrutscher an einem Tag, an dem für einmal alles aufgeht. „Ich bin happy mit dieser Medaille“, hält Küng fest.

Als einer der Mitfavoriten gestartet, lag der Thurgauer auf dem 31,7 km langen und vorwiegend flachen Parcours rund um die Formel-1-Rennstrecke in Imola bereits bei Rennhälfte als Vierter auf Podestkurs. Über die Zwischenzeiten informiert, wusste er: „Es wird um jede Sekunde gehen. Deshalb versuchte ich, auf den letzten Kilometern nochmals alles aus mir rauszuholen.“ Als er die Ziellinie passierte, leuchtete der 2. Zwischenrang auf, drei Sekunden fehlten ihm auf Van Aert. Und der unwiderstehliche Ganna war im Anflug. Bei Küng kamen Zweifel auf. „Ich dachte mir, das sind vielleicht genau jene Sekunden, die am Ende zur Medaille fehlen.“

Doch weil der Titelverteidiger Rohan Dennis auf dem Weg zurück ins „Autodromo Dino e Enzo Ferrari“ einbricht, ist Küng die Medaille nicht mehr zu nehmen. Der Australier, in den letzten zwei Jahren überlegen zum WM-Titel gefahren, musste sich noch hinter dem Briten Geraint Thomas mit Platz 5 begnügen.

Als Weltmeister liess sich der Einheimische Filippo Ganna feiern. Angefeuert von den Tifosi am Streckenrand fuhr der vierfache Bahn-Weltmeister in der Einzelverfolgung überlegen (26 Sekunden vor Van Aert) zu seinem ersten WM-Titel auf der Strasse. Der 24-Jährige aus dem Piemont sicherte sich als erster Italiener seit der Einführung der Spezialdisziplin im Jahr 1994 das Regenbogentrikot.

Sieben Jahre nach dem 3. Rang von Fabian Cancellara in Florenz ist Stefan Küng der erste Schweizer, der eine Medaille in einem WM-Zeitfahren gewinnt. Nach WM-Silber von Marlen Reusser im Zeitfahren der Frauen am Donnerstag war es für die kleine Schweizer Delegation bereits der zweite Medaillengewinn bei den Titelkämpfen in Imola.

Für einmal ging für Küng alles auf. Dies war nicht immer so. Der Kampf gegen die Uhr war für den Ostschweizer bei internationalen Titelkämpfen auch immer ein Kampf gegen die hohen Erwartungen, die meist von aussen an ihn herangetragen wurden. Gegen das Image, der neue Fabian Cancellara zu sein, wehrte er sich stets. Auch wenn er vereinzelt sein grosses Potenzial andeutete – sein 2. Platz im Auftaktzeitfahren der Tour de France 2017 steht stellvertretend dafür -, konnte er seine Zeitfahr-Qualitäten bei internationalen Titelkämpfen nie wirklich unter Beweis stellen. Sein zuvor bestes WM-Resultat war der 10. Rang aus dem letzten Jahr, als er in Harrogate 2:46 Minuten auf den Weltmeister einbüsste.

Vier Tage nach dieser Enttäuschung gewann Küng bei Dauerregen, Wind und Kälte die Bronzemedaille im WM-Strassenrennen. Das war für ihn ein Schlüsselerlebnis und der Beweis, dass er zu den Besten der Welt gehört. Mit dem gewonnenen Selbstvertrauen nutzte Küng die Corona-Pause in diesem Frühling und investierte viel ins Zeitfahrtraining. Das Vertrauen in sich und seine Zeitfahrmaschine, an deren Entwicklung er beteiligt war, stieg weiter. Der EM-Titel Ende August in Plouay war der Beweis dafür, dass der eingeschlagene Weg stimmt.

Entspannt und überzeugt von seinen Stärken fühlte er sich in Imola „erstmals in der Lage, bei einer WM bei den Profis eine Medaille zu holen“. Davon konnte ihn dieses Mal nichts abbringen, auch der starke Wind nicht, der an diesem Freitag in der italienischen Region Emilia-Romagna blies. Er habe seit dem letzten Jahr grosse Fortschritte gemacht, sagte Küng. „Das zeigt, dass all die Zeit, die ich und mein Team investiert haben, sich auszahlt. So darf es weitergehen.“

Seine nächsten grossen Ziele sind die in den Herbst verlegten Frühlingsklassiker Flandern-Rundfahrt (18. Oktober) und Paris-Roubaix (25. Oktober). Da werden freilich andere Qualitäten gefragt sein. Doch mit der zusätzlichen Portion Selbstvertrauen und der WM-Medaille im Gepäck dürfte ihm fortan alles ein bisschen leichter fallen.

Text: Keystone-SDA

Die Besten unter sich: Wout van Aert, Filippo Ganna und Stefan Küng. Bild: Frontalvision

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