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Christa von Niederhäusern

Zwischen weissem Kittel und Regenbogentrikot

Die amtierende Pumptrack-Weltmeisterin gibt Einblicke in ihr Leben als Spitzensportlerin und angehende Ärztin. Bild: Sam Buchli

Christa von Niederhäusern ist dreifache Pumptrack-Weltmeisterin und studiert Medizin. Sie hat mit ­Ready to Ride über die Balance zwischen Sport und ­Arbeit, ihre Anfänge und ihre Faszination für die ­junge ­Disziplin gesprochen.

Elegant und dynamisch gleitet Christa von Niederhäusern über den Pumptrack. Scheinbar mühelos absolviert sie ihre Runden auf dem welligen Parcours. Was auf den ersten Blick einfach aussieht, ist das Resultat zahlreicher Trainingsstunden. Rund sechs Einheiten pro Woche absolviert die Bernerin, einen Mix aus Sessions auf dem BMX und im Kraftraum. Mittlerweile, so erzählt von ­Niederhäusern, trainiere sie weniger, aber effizienter als noch vor einigen Jahren. Grund dafür ist ihr straffes Tagesprogramm, denn sie befindet sich im letzten Jahr ihres Medizinstudiums. Im Rahmen des Wahlstudienjahres arbeitet die angehende Ärztin abwechselnd je einen Monat in unterschiedlichen medizinischen Einrichtungen, im Sommer stehen die Abschlussprüfungen an. In welche Richtung es danach gehen wird, ist bereits klar. «Ich möchte gerne Kinderärztin werden», erzählt die ­Studentin. Grosse Ambitionen hat die Weltmeisterin also nicht nur im Sport, sondern auch abseits des Pumptracks. Sport und Arbeit unter einen Hut zu kriegen, sei sicherlich nicht immer einfach, doch mit guter Planung, dem Goodwill der Ausbildungsverantwortlichen und einem Umfeld, ­welches sie unterstütze, klappe es sehr gut.

«Spontan» zum WM-Titel

Was im Alter von zehn Jahren auf der BMX-Bahn begann, hat sich in den letzten Jahren auf den Pumptrack verlagert. Mit ihrem jüngeren Bruder und jetzigen Trainingspartner sammelte die junge Christa erste Erfahrungen auf dem BMX. Das Talent der Teenagerin blieb nicht lange ­unentdeckt. Von Niederhäusern schaffte schnell den Sprung ins Nachwuchskader und konzentrierte sich in den darauffolgenden Jahren auf die Disziplin BMX ­Racing. Bis sie ihren Freund 2018 an einen Qualifikationsevent für die Pumptrack-Weltmeisterschaften ­begleitete. Aus Spass nahm die damals 20-Jährige ihr BMX mit, entschied sich spontan für die Teilnahme, gewann völlig unerwartet das Rennen und sicherte sich das ­Ticket für die Weltmeisterschaften in Arkansas. Immer noch etwas ungläubig über die Finalqualifikation, reiste von Niederhäusern nach Amerika und gewann dort prompt ihren ersten Weltmeistertitel. «Das war schon etwas verrückt», erinnert sich die Bernerin. «Nicht nur das Rennen, der ganze Anlass war sehr cool, und ich lernte viele Leute kennen, zu denen ich noch heute Kontakt habe.» Nicht überraschend, denn die noch junge Pumptrack-Community gleicht einer grossen Familie. Die sogenannten Qualifier, also die Qualifikationsevents, finden überall auf der Welt statt. Die schnellsten vier Athletinnen und Athleten pro Event sichern sich einen Platz an den Weltmeisterschaften, welche viel mehr als nur Rennen sind. In der Woche vor den Titelkämpfen finden neben den offiziellen Trainings zahlreiche Events und Aktivitäten statt, welche die Community zusammenschweissen. «Die vielen Anlässe sorgen stets für eine unvergessliche Woche», schwärmt die 25-Jährige.

Bild: Sam Buchli

Auf dem Pumptrack zu Hause

Seit zwei Jahren fokussiert sich von Niederhäusern fast ausschliesslich auf die Disziplin Pumptrack. Einen permanenten Wechsel zurück in den BMX Racing-Zirkus kann sie sich nicht mehr vorstellen: «Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass ich an den BMX-Rennen nicht mehr so viel Spass habe und der Stress meist überwiegt. Auf dem Pumptrack ist das nicht so, ich liebe diesen Sport.» Die Faszination beruhe auf der Präzisionsarbeit. «Wenn ich Rennen fahre, bin ich ganz allein im Pumptrack, und es geht darum, vom Anfang bis am Schluss so schnell und perfekt wie möglich durch den Lauf zu kommen. Wenn etwas schiefgeht, ist es nur mein Fehler.»

Der BMX-Bahn ganz abgeschworen hat die 25-Jährige jedoch nicht. Nach wie vor trainiert sie unter anderem mit ihrem BMX-Team «Cycleworks Syndicate» auf den grossen Pisten oder bestreitet vereinzelt regionale Rennen. Die Grundlagen sind ähnlich. «Elemente wie das Pushen oder das Auf-dem-Hinterrad-Fahren sind bei beiden Disziplinen gleich, darum können wir viel voneinander profitieren», klärt von Niederhäusern auf. Für ihr tägliches Training stehen der Wattenwilerin zahlreiche Pumptracks in der Umgebung zur Verfügung – es werden immer mehr. Abhängig von den Elementen, ­welche sie trainieren will, wählt sie folglich die Pumptracks aus. «Keine Piste ist gleich wie die andere. Das ist ein weiterer Faktor, der mir gefällt. Jeder Pumptrack ist anders, das macht das Training und die Rennen sehr abwechslungsreich.»

Private Sponsoren statt grosse Preisgelder

Im letzten Jahr nahm von Niederhäusern an vier Qualifiern teil, danach folgte im österreichischen Ötztal Weltmeistertitel Nummer drei. Viele Möglichkeiten hat sie nicht, um ihr Können zu beweisen. Viel Preisgeld abzustauben gibt es folglich auch nicht, wobei die Preisgelder ohnehin nicht sehr hoch sind. Auch Fördergelder gibt es keine für die nicht ­olympische Sportart. Aber kann man wenigstens als mehrfache Weltmeisterin davon leben? «Nein, leider nicht», erwidert die Wattenwilerin schmunzelnd. «Pumptrack ist eine kleine Randsportart; nicht viele wissen, dass ich den Aufwand einer Profisportlerin betreibe. Daher sind ­Aufmerksamkeit und Vermarktungsoptionen entsprechend bescheiden. Ich habe durch mein Team und private Sponsoren wertvolle Unterstützung, und dafür bin ich dankbar.» Umso mehr freue sie sich über das steigende Interesse für den zuschauerfreundlichen Sport. Die Fahrerfelder werden von Jahr zu Jahr grösser, das Niveau steigt rasant an, und auch die ­Anzahl der Pumptracks in der Schweiz nimmt zu. Die Zukunft des Sports sieht vielversprechend aus.

Bild: Sam Buchli

Die Heim-WM im Blick

Während der Rennkalender für die aktuelle Saison erst teilweise bekannt ist, steht ein Event bereits dick angestrichen im Kalender: die Heim-Weltmeisterschaften im Wallis im nächsten Jahr. Als dreifache Weltmeisterin gilt von Niederhäusern schon jetzt als grosse Favoritin, was ihr auch bewusst ist: «2019 hatten wir bereits Heim-Welt­meisterschaften in Oberried, dort wurde ich Dritte. Nach meinen zwei Titeln in den letzten zwei Jahren möchte ich in Monthey natürlich in Höchstform sein.» Mehr Druck werde sie sich darob nicht machen. ­«Solange ich am Tag X meine bestmögliche Leistung abliefere, physisch wie mental 100% bereit bin und alles geben kann, bin ich zufrieden», hält sie fest. Wie es ­danach weitergehen wird, ist unklar. Mit dem Übertritt ins Berufsleben im kommenden Herbst werde sich ihr Leben stark verändern. Darum mache sie noch keine grossen Pläne und nehme es, wie es komme. Eines ­jedoch ist für die passionierte Velofahrerin klar: «Ich ­werde noch sehr lange auf dem Velo anzutreffen sein. Ob rennmässig oder nicht, wird sich zeigen».

Eine Randsportart auf dem Vormarsch

Die junge Radsportdisziplin Pumptrack erfreut sich rasant wachsender Beliebtheit – insbesondere bei den Kindern. Auf dem Pumptrack lernen diese spielerisch, ihr Velo zu beherrschen; die Anzahl der zur Verfügung stehenden Anlagen wird immer höher. Was den Leistungssport anbelangt, ist die Sparte hierzulande im Herbst 2019 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, als im ­Swiss B­ike Park in Oberried bei Bern die Weltmeisterschaften durchgeführt wurden. 2018 waren in der jungen Sportart erstmals WM-­Medaillen vergeben worden, 2019 fand die Pumptrack-WM erstmals unter dem Dach des Weltverbandes UCI statt. Christa von Niederhäusern gilt mit ihren drei Weltmeistertiteln als Aushängeschild des Sportes. Während zu Beginn noch viele Athletinnen und Athleten den Pumptrack mit BMX Racing-Rennen kombiniert haben, zeigt sich in den letzten Jahren eine zunehmende Spezialisierung auf eine der beiden Disziplinen. Was die rasante Entwicklung ­offenbart, welche mit der steigenden Professionalisierung einhergeht.

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