WM Zürich
Zurück im Konzert der Grossen
Marc Hirschi verpasst es nach starken Wochen, seine Saison an der Heim-WM zu krönen. Der Berner fährt nach hervorragender Leistung als Sechster knapp neben das Podest, nimmt für die Zukunft aber viel Positives mit.
Es ist eine verpasste Chance. Klar. Marc Hirschi hat im Vorfeld oft genug betont, wie wichtig ihm dieses WM-Rennen ist. Auch im Wissen, dass es wohl eine einmalige Gelegenheit sein wird, vor dem Heimpublikum ums Regenbogentrikot fahren zu können. Seine bestechende Form in den letzten Wochen liess die Schweizer Fans vom ersten Strassen-WM-Titel seit Oscar Camenzind 1998 träumen.
Und eben diese Fans sorgten am Sonntagnachmittag in und um Zürich für eine eindrückliche Atmosphäre, wie man sie sonst nur von der Tour de France, den belgischen Klassikern oder zuletzt den Olympischen Spielen in Paris kennt. Als es für Hirschi inmitten der Massen zum letzten Mal die steile Zürichbergstrasse hochging, machte er getragen von der Stimmung ernst und griff 24 km vor dem Ziel aus einer Gruppe mit den Mitfavoriten Remco Evenepoel und Titelverteidiger Mathieu van der Poel an. Der Schweizer kommt weg.
Vor ihm liegen noch der Lette Tom Skujins und der Ire Ben Healy – und Tadej Pogacar. Der Überflieger aus Slowenien, im Team UAE Emirates noch bis Ende Jahr ein Teamkollege von Hirschi, hat bereits über 100 km vor dem Ziel die Flucht nach vorne gesucht. Aus dem Feld hat nach dem Antritt des dreifachen Tour-Siegers keiner reagiert. „Jeder wusste: Wenn du da mitfährst, explodierst du irgendwann und stehst mit nichts da.“
Hirschi wusste, wenn er seinen Goldtraum noch eine Chance geben will, musste er in der Schlussrunde alles in die Waagschale werfen. „Ich dachte mir, vielleicht bricht Tadej ja noch ein“. Doch während Pogacar der Goldküste entlang seinem triumphalen ersten WM-Titel entgegen fuhr, entglitt dem Berner hinten die Medaille.
Denn mittlerweile war es im Feld der Verfolger zum grossen Zusammenschluss gekommen. Primär, weil es der Belgier Evenepoel in einer Abfahrt mit letzter Kraft nochmals zu Hirschi nach vorne geschafft hat. Davon profitierte auch Van der Poel, und das wiederum war schlecht für Hirschi. Denn der Schweizer wusste: „Wenn ich mit Mathieu auf die Ziellinie komme, wird es schwierig.“
Und so kam es dann auch. Van der Poel sicherte sich im Sprint um Platz 3 die Bronzemedaille. Silber ging nach einem gelungenen Überraschungsangriff kurz vor Schluss an den Australier Ben O’Connor. Hirschi stand nach einer aufopferungsvollen letzten Runde auf dem spektakulären Stadtkurs nach fast sechseinhalb Stunden Fahrzeit als Sechster mit leeren Händen da; nicht das Resultat, was er und auch das Schweizer Publikum sich erhofft haben.
Hirschi zeigte sich trotzdem „zufrieden mit meiner Leistung. Klar wäre es sehr schön gewesen, eine Medaille zu holen. Ich nehme jedoch viel Positives mit“, bilanzierte er im Ziel. „Ich habe gesehen, dass ich ganz vorne mitfahren kann. Daran möchte ich im nächsten Jahr anknüpfen.“
Hirschi fährt nunmehr wieder auf jenem Level, das er vor vier Jahren schon einmal erreicht hatte, als in der Corona-Saison an der Tour de France sein Stern aufging. Danach folgte ein starker Herbst mit unter anderem dem Gewinn von WM-Bronze.
Die WM bleibt für ihn auch im nächsten Jahr ein grosses Ziel. Mit dem Wechsel ins Schweizer Tudor-Team von Fabian Cancellara habe er „gute Unterstützung“. Und ganz wichtig: Er wird dann auch unter dem Jahr wieder im Konzert der Grossen mittun können, nicht wie zuletzt bei UAE, als er in der Hierarchie nach hinten gerückt ist und sein Können mehrheitlich nur noch an kleineren Rennen unter Beweis stellen konnte.
So wird es in zwei Wochen auch an der Lombardei-Rundfahrt nochmals sein, wenn der Berner Pogacar zum Sieg helfen soll. Danach dürfen sich die Schweizer Velofans wieder auf einen Marc Hirschi in einer tragenden Rolle freuen.
Text: Keystone-SDA