Interview Louis Eisenhut
«Es geht darum, viele bereits befahrene Wege zu offizialisieren, damit am Ende die Lenkung auch funktioniert»

Bild: zvg
Ein Gespräch mit Louis Eisenhut, Projektleiter bei BEBike und im Mandat für das neue Routenprojekt im Naturpark Gantrisch verantwortlich, über Lenkung statt Wildwuchs, faire Lösungen mit Waldbesitzenden und die Zukunft des Mountainbikens im Gantrischgebiet und darüber hinaus.
Du kennst den «Wildwuchs» im Wald mittlerweile aus nächster Nähe. Was habt ihr bei der Planung der offiziellen Routen über das tatsächliche Verhalten von Mountainbiker/innen gelernt – und wie fliesst dieses Wissen konkret in eure Streckenplanung ein?
Louis Eisenhut: Im März 2024 habe ich die Stelle als Projektleiter angenommen und konnte direkt in das Projekt der Gantrisch-Region einsteigen. Meine erste Aufgabe nach meiner Anstellung war es, die Region kennenzulernen. Im Rahmen einer Geländeanalyse fuhr ich mit Vertretern der lokalen Bikeszene die bereits befahrenen Wege ab, um zu sehen, was die Bedürfnisse der Bikenden in dieser Region sind. Es hat sich gezeigt, dass Biker/innen schmale Wege (Singletrails) bevorzugen. Oftmals schlängeln sich die Wege durch den Wald und gehen nicht einfach direkt der Falllinie entlang von oben nach unten. Ausserdem zeigt sich, dass ein Weg auch gerne mal ein paar Wurzeln oder Steine haben darf, um diesen technisch anspruchsvoller zu machen. Während der Geländeanalyse konnte ich genau sehen, was die dort lebenden Biker/innen brauchen. Nun geht es darum, genau dieses Bedürfnis abzuholen und viele bereits befahrene Wege zu offizialisieren, damit am Ende die Lenkung auch funktioniert. Ich habe festgestellt, dass überall dort, wo es bereits einen attraktiven offiziellen Weg (z.B. Wanderweg) hat, dieser auch befahren wird und nur dort, wo es keine attraktiven Wege gibt, neue Pfade entstanden sind. Diese Pfade werden aber meist nicht nur von den Bikenden, sondern auch von anderen Erholungssuchenden benutzt, wie beispielsweise Hundebesitzer Wandernde oder Reitende.
Eine Idee sind Streckenpässe, analog zum schweizerischen den Loipenpass. Was braucht es, damit dieses Modell im Bikebereich tatsächlich funktioniert – auch wirtschaftlich und gesellschaftlich?
Solche Streckenpässe werden die Zukunft unseres Sports stärken und ermöglichen, dass wir Mountainbike-Wege möglichst nachhaltig und langfristig unterhalten können. Die Biker/innen müssen verstehen, dass Biken im Wald nicht selbstverständlich ist. In vielen Köpfen ist die Natur ein freies Gut, welches uneingeschränkt und ohne Rücksicht genutzt werden darf. Dennoch gehört der Wald, den wir befahren, jemandem und als Nutzende dieser Fläche müssen wir auch unseren Beitrag leisten. Das System Streckenpass funktioniert nur, wenn sich alle Biker/innen im Kanton Bern bewusstwerden, dass sich dieser Sport ohne ihre Unterstützung nicht weiterentwickeln kann und wir bereits an einem Punkt sind, an dem wir nicht mehr «einfach so» in den Wald gehen können. Damit das ganze wirtschaftlich funktioniert, braucht es ein System/Produkt, welches für die Bikenden simpel aufgebaut ist und auf die Bedürfnisse der verschiedenen Regionen in einem Kanton angepasst werden kann.
Der Widerstand einiger Waldbesitzer/innen gegen die geplanten Routen ist hoch – auch wegen der geforderten Entschädigungen. Wie gelingt euch der Spagat zwischen Dialog, Kompromiss und Durchhaltewillen?
Ich finde nicht, dass Widerstand das richtige Wort ist, ich denke besser wäre „fordernd“. In diesem Projekt stehen vor allem Forderungen in Bezug auf die Entschädigung, vor allem von dem Verband der Berner Waldbesitzer, im Raum. Als Dachverband sehen sie sich in der Pflicht den Waldbesitzenden ihre Rechte aufzuzeigen und möchten sie davor «schützen», ihr Land unüberlegt zu Verfügung zu stellen. Deswegen kann ich den Gegenwind sogar ein bisschen verstehen. Im Gantrisch-Projekt nutzen wir einen sehr partizipativen Ansatz. Wir möchten mit allen Beteiligten einen offenen Dialog führen und so transparent wie möglich über das Projekt informieren. So fand eine Erstinformation mittels Brief und Mitwirkungsanlässen sämtlicher betroffener Grundeigentümer statt. Während den verschiedenen Gesprächen konnten wir die Bedenken und Rückmeldungen der Grundeigentümer abholen und stellten fest, dass die Entschädigung oftmals nicht das grosse Thema war. Vielmehr ging es um die Sicherheit, die Koexistenz, den respektvollen Umgang miteinander und den Unterhalt der Wege. Teilweise kann der Unterhalt an Bikevereine abgegeben werden. Wir sind diese Option allerdings noch am Prüfen und stehen hierbei auch im Kontakt mit den jeweiligen Gemeinden.
Wird im aktuellen Diskurs zu oft nur über Geld gesprochen? Was könnte helfen, die Debatte über Biketrails breiter zu führen – z.B. über ökologische Qualität, soziale Verantwortung oder regionale Wertschöpfung?
Geld ist wie bei vielen Infrastruktur-Projekten ein sehr entscheidendes Thema, denn man muss sich diese leisten können. Beim Mountainbiken sollte es aber in Zukunft vielmehr um das öffentliche Interesse gehen. Mountainbiker/innen sind nicht wie früher ein unorganisierter Haufen «Freaks». Der Sport ist stark gewachsen und mittlerweile sind ganz viele unterschiedliche Menschen auf dem Bike unterwegs. Demnach sollte meiner Meinung nach die Toleranz für Bikende auch grösser werden. Natürlich kommen Themen wie mehr regionale Wertschöpfung oder Förderung der Naherholungsmöglichkeiten noch dazu. Die grosse Nachfrage und die Entwicklung zum Breitensport ist für mich trotzdem einer der wichtigsten Punkte.
Du hast es selbst erlebt: Wandernde, Bikende, Forstleute und Landwirt/innen – alle teilen sich den Raum. Was macht ein zukunftsfähiges «Trail-Klima» aus? Und wie können Biker/innen ihren Beitrag dazu leisten?
Ich finde hier die Worte Respekt und Toleranz sehr passend. Die Schweiz hat leider nicht übermässig viel Platz, um jedem Bedürfnis den eigenen Raum zu geben. Aber es muss auch nicht zwingend sein, dass wir Bikende immer unseren eigenen Trail haben. Erfahrungen aus anderen Kantonen zeigen, dass ein Miteinander durchaus funktioniert und mit dem nötigen Respekt gegenübereinander, kommen sich die verschiedenen Wegnutzenden nicht in die Quere.
Wenn wir ins Jahr 2030 blicken: Was ist deine Vision für die Region Gantrisch und den Kanton Bern insgesamt? Wie sieht für dich das ideale Zusammenspiel von Natur, Tourismus und Sport aus?
Unser grosses Ziel mit dem Gantrisch-Projekt, aber auch mit anderen Infrastruktur-Projekten im Kanton, ist es, Lücken im MTB-Routennetz zu schliessen und den Wildwuchs in den Wäldern mittels Lenkung zu minimieren. Wie umsetzbar dieses Ziel bis 2030 wirklich ist, hängt stark davon ab, wie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Stakeholder funktioniert. Wir als Mountainbike-Organisation spielen mit offenen Karten und kommunizieren unsere Ziele und Bedürfnisse gegenüber sämtlichen Akteuren. Ich würde mich freuen, wenn wir in Zukunft so weit sind, dass Bikende und Bike-Organisationen auch ihren Platz in den Wäldern finden und Probleme lösen können. Dieses Ziel werden wir aber nur erreichen können, wenn wir einen zielführenden, respektvollen und transparenten Austausch mit allen Beteiligten finden und führen.
Was würdest du dir persönlich von der Mountainbike-Community wünschen – neben dem Kauf eines Streckenpasses?
In den Worten von Hans Ulrich Zwahlen, dem Gründer von BEBike, wünsche auch ich mir, dass sich Mountainbiker/innen, aber auch Gravelbiker/innen bewusstwerden, dass sie auf ihren Fahrten privaten Grund und Boden befahren und dabei das nötige Verständnis und die nötige Rücksicht aufbringen können, wenn sie diesen benutzen. Bikende sollen auch verstehen, dass eine Ausfahrt im Wald nicht selbstverständlich ist und sie sich daher einer lokalen, regionalen oder kantonalen Mountainbike-Organisation anschliessen sollen.