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WM Innsbruck

«Wir waren den Gegnern einen Schritt voraus»

Als erster Schweizer gewann Marc Hirschi WM-Gold in einem U23-Strassenrennen. Der 20-jährige Berner, der nach dieser Saison als Profi beim World-Tour-Team Sunweb fahren wird, spricht im Interview über Emotionen, Taktik und Nationaltrainer Danilo Hondo.

Als Sie in Innsbruck allein über die Ziellinie fuhren, wirkten Sie sehr ruhig. Gingen da nicht die Emotionen mit Ihnen durch?

Marc Hirschi: Ich musste immer wieder nach hinten schauen, weil ich das Ganze fast nicht glauben konnte. Ich war mir nicht sicher, ob ich die zwei Verfolger übersehe – sie hätten auch hinter den Motorrädern versteckt sein können. Deshalb habe ich bis zuletzt richtig durchgezogen. Aber innerlich verspürte ich überwältigende Freude. Ich weiss gar nicht, was mit mir genau passiert. Das war schon beim Gewinn des Europameistertitels so.

Nun sind Sie sogar Weltmeister.

Wir Schweizer reisten im Wissen nach Innsbruck, dass eine Medaille oder gar der Sieg möglich ist, wenn es für uns läuft. Das ganze Team war extrem stark und hat mich so gut unterstützt. Unser Team-Spirit ist unglaublich. Jeder mag es dem Anderen gönnen. Das ist der ausschlaggebende Punkt für den Erfolg. Patrick (Müller) fuhr ganz vorne, dahinter folgten Gino (Mäder) und ich noch etwas weiter hinten im Verfolgerfeld. Alle profitierten von der Situation, und keiner verbrauchte unnötig Energie. Am Ende ging es für mich auf, weil das Feld wieder hatte aufschliessen können.

Was waren die entscheidenden Momente im Rennen?

Der wichtigste Moment war wohl jener, als wir in der drittletzten Runde in der Abfahrt angriffen. Wir hatten schon im Vorfeld über eine solche Attacke gesprochen, weil wir alles sehr gute Abfahrer sind. Es war trotzdem auch eine spontane Aktion aus der Situation heraus. Wir waren dann überrascht, dass sich eine solche Lücke öffnete. Ab diesem Zeitpunkt waren wir den Gegnern immer einen Schritt voraus.

Schliesslich ergab sich die Situation, dass Sie, der Belgier Bjorg Lambrecht und der Finne Jaakko Hanninen zu dritt vorne lagen. Wie schätzten Sie die Kräfteverhältnisse ein?

Lambrecht war sicherlich der stärkste Fahrer am Berg. Auch im Sprint ist er richtig gut. Deshalb fand ich die Abfahrt eine gute Option, um meinen Angriff zu platzieren. Diese Abfahrt war ab der Mitte so, dass man nicht viel in die Pedale treten musste. Auch wenn ich wieder eingeholt worden wäre, hätte ich also nicht sehr viel Energie verloren durch meine Attacke.

Nationaltrainer Danilo Hondo sagte, dass er Sie und Ihre Teamkollegen in den vergangenen Jahren an kleineren Rennen absichtlich habe Fehler machen lassen. Wie wichtig war dieser Lernprozess – und wie gross ist Hondos Anteil an diesem WM-Titel?

Sein Anteil ist extrem gross. Das Schweizer Niveau bei den U23 ist zuletzt klar höher geworden, das Kader mittlerweile sehr breit. Danilo hat viele Fahrer sehr gut gefördert. Wir waren auch letzte Saison schon stark gewesen. Das Problem war aber, dass wir manchmal in den falschen Momenten vorne waren oder attackierten. Wir haben aus diesen Fehlern gelernt, und nicht zuletzt deshalb ging es in Innsbruck für uns auf.

Interview: Valentin Oetterli (sda)
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