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Monatsinterview

«Wir haben das Gefühl, dass wir mit den Besten mithalten können.»

Cyrille Thièry ist einer der Leistungsträger in der Schweizer Mannschaftsverfolgung auf der Bahn. Bild: Guy Swarbrick

Cyrille Thièry gehört zu den Stützen des Schweizer Bahnvierers. Derzeit absolviert der 29-Jährige aus Lausanne mit dem Team die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio. Im Monatsinterview spricht er über die Entwicklung in der Mannschaftsverfolgung, das Heranwachsen einer neuen Generation und seine Erinnerungen an Rio.

Es bleiben noch sechs Monate bis zu den Olympischen Spielen in Tokio. Wie geht es dir – auf der Zielgeraden?

Ein olympisches Jahr ist immer etwas Besonderes, weil sich alles auf dieses wichtige Ziel konzentriert. Trotzdem bereite ich mich darauf vor wie auf jede andere Saison. Mit zunehmender Erfahrung weiss ich, dass es nichts bringt, sich für einen aussergewöhnlichen Event mehr Druck zu machen. Im Moment denke ich noch nicht ständig an die Olympischen Spiele, aber sie haben natürlich schon einen Platz in meinem Kopf.

In der Mannschaftsverfolgung hat die Schweiz in dieser Saison den Landesrekord dreimal unterboten und ist erstmals unter der magischen Grenze von 3:50 Minuten geblieben. Man könnte sagen, dass das Team in neue Sphären vorgedrungen ist…

Wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Fahrern. Nach einem ersten Jahr, in dem noch viele Dinge geklärt werden mussten, sind die jungen Fahrer jetzt wirklich bereit und rufen ihr Leistungsvermögen ab. Darüber hinaus haben wir viele Tests gemacht, um die Position auf dem Rad und das Material zu optimieren. Manchmal frage ich mich, ob sich das alles wirklich lohnt, nur um auf vier Kilometern eine Viertelsekunde herauszuholen. Aber letztlich ist es genau das, worum es geht: Wenn man nach und nach alle Details zusammenfügt, dann macht das den Unterschied aus.

Was kann das Schweizer Team erreichen?

Es ist natürlich klar, dass es nicht leicht sein wird, in einem Jahr nochmals fünf Sekunden herauszuholen (lacht)… Ich hoffe, dass wir unsere Zeit weiter verbessern können, aber wir sprechen sicher nicht von ganzen Sekunden. Eines ist aber ganz klar: Wir haben wirklich das Gefühl, dass wir mit den Besten mithalten können.

Obwohl das Niveau in dieser Disziplin permanent steigt…

Zwischen den acht besten Nationen, die zu den Olympischen Spielen fahren, gibt es kaum Unterschiede. Fast alle haben die Chance, Olympiasieger zu werden. Deshalb setzen alle Nationen auf die Mannschaftsverfolgung und versuchen, selbst die kleinsten Details zu verbessern. An den Weltmeisterschaften, wo die Zeiten auch immer schneller werden, wird das besonders deutlich zu sehen sein.

In dieser WM-Saison wurden neun verschiedene Fahrer für die Mannschaftsverfolgung aufgeboten. Hältst du diese Fahrerdichte für einen Vorteil?

Das ist eine unserer grossen Stärken. Wir sind in der Lage, in verschiedenen Konstellationen schnell zu fahren. Aus Sicht der Trainer ist das ein grosser Vorteil, weil du weisst, dass du immer genug Fahrer zur Verfügung hast. Für die Fahrer bedeutet das natürlich einen grösseren Druck, denn du kannst dir nie sicher sein, ob du einen Platz hast. Aber letztlich ist es positiv, denn es zwingt uns alle, mehr zu trainieren und unser Niveau zu verbessern. Wir können uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.

Du bist seit zwölf Jahren Teil der Nationalmannschaft. Wie beurteilst du die Entwicklung in der Mannschaftsverfolgung?

Als ich 2008 zum Team gestossen bin, war Daniel Gisiger (Nationaltrainer; die Red.) erst ein oder zwei Jahre da. Davor hatte es bei uns keine Mannschaftsverfolgung gegeben, Claudio Imhof und ich sind daher seit Beginn des Projekts dabei. Am Anfang kamen wir bei den Weltmeisterschaften oft als Letzte ins Ziel. Wir haben viel trainiert, aber es hat dennoch nicht sofort funktioniert. Wir haben uns allmählich gesteigert. Wir hatten immer wieder Phasen, in denen wir uns weiterentwickelt haben, und dann wiederum kamen Zeiten, in denen es nicht lief. Mit der Generation von Fahrern wie Stefan Küng, Théry Schir und Frank Pasche haben wir das Kader komplett erneuert und so eine neue Stufe erreicht. Das ist genauso wie die Situation heute.

Du hast bereits an den Olympischen Spielen in Rio 2016 teilgenommen. Woran erinnerst du dich am besten?

Es war eine besondere Situation für mich, weil ich ganz plötzlich Stefan Küng ersetzen musste, der sich verletzt hatte. So hatte ich gar keine Zeit, mir über das Drumherum der Olympischen Spiele Gedanken zu machen. Ich wusste wirklich nicht genau, was mich in Rio erwarten würde. Mich hat vor allem das gigantische Ausmass der Spiele beeindruckt – und die Möglichkeit, ganz einfach an die grossen Champions heranzukommen.

Welche Erkenntnisse hast du aus dieser Erfahrung gewonnen?

Die Olympischen Spiele in Tokio werden sicher ganz anders werden als in Rio. Trotzdem ist es ein Vorteil zu wissen, was einen erwartet. In Rio habe ich mein Zimmer mit Silvan Dillier geteilt. Er hat mir einmal etwas gesagt, das ich nicht vergessen werde: «Du fährst rund vier Minuten und du bist auf der ganzen Welt im Fernsehen zu sehen … und dann ist alles vorbei.» Da wurde mir klar, dass ich mich einzig und allein auf diesen Moment konzentrieren sollte, wenn ich auf meinem Rad sitze. Letztlich handelt es sich um eine Situation, die mir komplett vertraut ist.

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