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Tour de France

Wenn sich der Zweite als erster Verlierer fühlt

Bärenstark und doch enttäuscht: Stefan Küng rollt im ersten TdF-Zeitfahren auf Platz 2. Bild: Groupama-FDJ

Nur zu gerne hätte Stefan Küng als erster Schweizer seit Fabian Cancellara 2010 in Pauillac ein Tour-Zeitfahren gewonnen. Doch so stark er auf den 27,2 km nach Laval auch fährt, in Ausnahmekönner Tadej Pogacar findet er einen Bezwinger.

Stefan Küng legte ab dem Startsignal auf der Rampe in Changé mit enorm kräftigen Tritten in die Pedalen los. Bereits nach 15 Sekunden und den ersten zwei Kurven nahm der 27-jährige Thurgauer, Europameister und auch Schweizer Meister in dieser Disziplin, auf seinem Spezialrennrad die ideale, weil möglichst windschlüpfrige Position ein.

Bei der ersten Zwischenzeit nach 8,8 km passierte er mit grossem Vorsprung auf die vor ihm gestarteten Konkurrenten. Auch von blossem Auge war erkennbar, dass Küng schnell unterwegs war, er sich ganz offensichtlich in einem Flow befand. In dem Zustand also, „den ein Fahrer immer sucht“, wie Küng im Vorfeld der Tour de France erzählt hatte.

Wer im Zeitfahren diesen Flow findet, „für den fühlt es sich an wie tief fliegen und weniger wie schnell fahren“. Er selber sprach davon, dass er sich zuletzt beim Auftakt-Zeitfahren in Frauenfeld in diesem Zustand befunden habe. Das Resultat in seiner Heimat? Der Sieg, der erste auf Stufe World Tour seit mehr als zwei Jahren.

Auch im weiteren Verlauf des Zeitfahrens im Nordwesten Frankreichs liess der Ostschweizer nicht eine Sekunde nach. Die zahlreichen Kreisel, Verkehrsteiler und Richtungsänderungen in der Agglomeration von Laval legte Küng traumhaft sicher zurück. Das Studium der Videoaufnahmen der Strecke im Vorfeld sowie die genaue Besichtigung am Morgen des Rennens hatten sich ausbezahlt.

Nach 32:19 Minuten – gleichbedeutend mit einem Schnitt von 50,5 km/h – überquerte er die Ziellinie um mehr als eine halbe Minute schneller als der nächstbeste Fahrer. „Ich habe alles gemacht, was ich konnte“, befand Küng danach. Doch noch musste Küng mehr als 40 Konkurrenten abwarten, die erst nach ihm an den Start gingen.

Fahrer um Fahrer scheiterte an seiner Marke. Trotzdem blieb ihm letztlich der so ersehnte Triumph verwehrt. Wie schon 2017 als Tour-Debütant an seinem allerersten Tag. Damals war Küng in Düsseldorf im Auftakt-Zeitfahren ebenfalls Zweiter geworden. Geschlagen einzig vom Briten Geraint Thomas.

Auch in Laval gab es letztlich nur einen, der besser war: Tadej Pogacar. Der Tour-Vorjahressieger aus Slowenien absolvierte die wellige Strecke gleich um 19 Sekunden schneller und näherte sich in der Gesamtwertung bis an acht Sekunden an Leader Mathieu van der Poel an. „Tadej hat gezeigt, dass er für diese Tour parat ist. Er war heute der Stärkste – Hut ab“, zeigte sich Küng als fairer Verlierer.

Verlierer deshalb, weil sich der Thurgauer selber so fühlte. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen: „Ich bin hierher gekommen, um zu gewinnen, nicht um Zweiter zu werden. Bereits morgen – wenn nicht schon heute Abend – werden alle vergessen haben, wer in diesem Zeitfahren Zweiter geworden ist“, so Küng, der nochmals betonte, wie „wirklich gerne“ er gewonnen hätte.

Eine weitere Chance in dieser 108. Frankreich-Rundfahrt erhält der Ostschweizer allerdings noch. Am vorletzten Tag findet – über 30,8 km von Libourne nach Saint-Emilion – noch ein zweites Zeitfahren statt. „Da werde ich Revanche nehmen“, kündigt Küng an.

„Tadej wird im Kampf um den Gesamtsieg während der Rundfahrt müder werden. Ich hingegen kann einige Etappen lockerer als er nehmen und mich besser erholen“, hofft der Schweizer Profi. Zugleich ist er überzeugt, dass „meine Form während der Tour noch besser wird, denn mein grosses Rendezvous folgt erst Ende Juli mit dem Zeitfahren in Tokio.“

Zweitbester Schweizer im ersten von zwei Zeitfahren der 108. Frankreich-Rundfahrt war erwartungsgemäss Stefan Bissegger als 18. mit 1:22 Minuten Rückstand. Der Thurgauer, der viel früher als viele Konkurrenten unterwegs war, hatte Wetterpech zu beklagen. Einiges von seinem Rückstand ist auf die nasse Unterlage zurückzuführen. Einmal verhinderte Bissegger nur mit Glück und viel steuertechnischem Können einen Sturz.

Text: Keystone-SDA

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