#swisscyclingfamily | Member

WM Dübendorf

Weniger Höhenmeter, mehr Spannung

Augenschein im WM-Gelände: Diverse Athleten von Swiss Cycling testen den Kurs auf dem Flugplatz Dübendorf.

Am 1. und 2. Februar 2020 werden auf dem Flugplatz Dübendorf die Weltmeisterschaften im Radquer ausgetragen. Weil die Strecke kaum Höhenunterschiede aufweist, werden bis zum Schluss spannende Wettkämpfe erwartet. In der jüngsten Ausgabe von Ready to Ride, haben wir uns mit Daniel Gysling, dem Verantwortlichen für die Strecke, unterhalten.

«Warum wird ausgerechnet ein Flugplatz als Radquerstrecke genutzt?» Auf den ersten Blick wirkt die Idee überraschend, im zweiten Atemzug löst sie Diskussionen aus. «In einem coupierten Land wie unserem auf so flachem Gelände Weltmeisterschaften auszutragen, erscheint abwegig.» So oder so ähnlich lauten die Bemerkungen, die Daniel Gysling immer wieder zu hören bekommt. Als derjenige, der für die Strecke von Dübendorf 2020 verantwortlich zeichnet, ist er sich der Tragweite seiner Aufgabe bewusst. Sein Ziel ist, alle Ansprüche an eine Weltmeisterschaftsstrecke zu erfüllen – und dies in mehrheitlich flachem Gelände. Für ihn als Geomatiktechniker in einem renommierten Ingenieurbüro ist das keine ungewohnte Aufgabe: «Durch meinen Beruf habe ich schnell gemerkt, wie viel Arbeit auf mich wartet», hält der 37-jährige Zürcher lächelnd fest.

Der ehemalige Strassenfahrer weiss, dass es bei Traditionssportarten wie dem Radquer schwierig ist, von Abläufen und Gegebenheiten abzuweichen, die in den Köpfen verankert sind. «Die Sportart jedoch entwickelt sich kontinuierlich weiter. Wenn wir Lösungen für die mit einer solchen Veranstaltung verbundenen Herausforderungen finden möchten, müssen wir uns anpassen, und wir müssen auch moderner werden», hebt Gysling hervor. Er ist davon überzeugt, dass der geringe Höhenunterschied der Strecke der Show nicht schadet – im Gegenteil.

Ein Puzzle in Lebensgrösse

Auf dem Flugplatz Dübendorf fanden bereits von 2007 bis 2009 Radquerrennen statt. Damals handelte es sich um internationale Rennen der Klasse C1. Die letzten Radquer-Weltmeisterschaften auf Schweizer Boden liegen fast 25 Jahre zurück: Sie fanden 1995 in Eschenbach statt. Seither hat sich die Sportart stark weiterentwickelt, und auch die Veranstaltungen als solche haben einen Wandel durchlaufen. Die Anforderungen an die Organisatoren einer Weltmeisterschaft sind heute nicht mehr mit jenen der 1990er-Jahre zu vergleichen. Erstens wird immer mehr Raum für die Fernsehproduktion benötigt. Sie alleine belegt mit ihren Produktionswagen zwischen ca. 2000 und 3000 Quadratmeter. Auch die immer höher werdende Bedeutung des Angebots für VIPs erfordert zusätzliche Einrichtungen. Darüber hinaus werden auf dem in der Agglomeration Zürich liegenden Areal 24‘000 Besucher erwartet, und für diese müssen Parkplätze vorhanden sein. Zudem wird ein strategisch günstig gelegener Parkplatz für die Teams benötigt.

Der weitläufige Flugplatz Dübendorf bietet für diese logistischen Bedürfnisse beste Voraussetzungen. Die räumliche Ausdehnung wird die Lenkung der Besucherströme vereinfachen, denn die Zuschauer können sich zwischen den Brücken der Strecke frei bewegen. Der Teamparkplatz befindet sich direkt neben der Pit Area, also jenem Bereich, in dem die Techniker und Mechaniker während des Rennens an den Fahrrädern arbeiten können. Und das Betreuungspersonal der Fahrer wird einen direkten Zugang erhalten: «Für die Mechaniker wird die Weltmeisterschaft perfekt sein», sagt Gysling. Er ist selbst Mechaniker – bei Simon Zahner und beim Schweizer Nationalteam.

Das Beispiel Bogense

Der Flugplatz mag zwar einen Vorteil bezüglich der Raumgestaltung bieten, aber das fast gänzliche Fehlen von Höhenunterschieden lässt die Kursgestaltung zur echten Herausforderung werden. Wie kann auf dem verfügbaren Platz eine attraktive Strecke konzipiert werden?

Umdiese Aufgabe zu bewältigen, hat das Organisationsteam die Querprofis Simon Zahner und Marcel Wildhaber hinzugezogen. Diese erstellten einen Streckenentwurf, der mehrfach verfeinert wurde, bis die definitive Version stand. Abgesehen von den Brücken und Hürden, die von den Fahrern überquert werden müssen, wurden keine künstlichen Elemente geschaffen. Die Streckendesigner wollten das vorhandene Terrain so gut wie möglich nutzen und daraus eine abwechslungsreiche Strecke kreieren. So müssen die Fahrer auf dem Flugplatz drei Erdhügel von allen Seiten aus überqueren.

«Für eine attraktive Querstrecke ist es gar nicht nötig, 200 Meter Höhenunterschied und einen halben Meter Schlamm zu haben.»

Daniel Gysling

Die Hügel sind die einzigen Anhebungen auf der Strecke, weshalb sich kritische Stimmen erhoben haben: «Für eine attraktive Querstrecke ist es gar nicht nötig, 200 Meter Höhenunterschied und einen halben Meter Schlamm zu haben», verteidigt sich Gysling. Er erinnert an das Beispiel der letzten Weltmeisterschaften in Bogense: «In Dänemark war die Strecke ebenfalls fast flach, aber wir erlebten trotzdem spannende Rennen, in denen sich die Besten durchsetzten.»

Die «Schweizer Champs-Élysées»

Weil er nicht Anstieg an Anstieg reihen konnte, wollte Gysling die Voraussetzungen für ein möglichst offenes und bis zum Schluss spannendes Rennen schaffen: «Die Idee war, allen Fahrern eine Chance zu geben. Wir möchten nicht, dass Mathieu van der Poel – um einen Namen zu nennen – bereits nach der ersten Runde eine Minute Vorsprung hat», sagt Gysling und nennt Beispiele: Sehr breite Startgerade, um Überholmanöver zu ermöglichen. Schwieriger Anstieg, damit alle Fahrer ihr Velo tragen müssen. Platzierung der Hürden in einer Art, dass die Fahrer, welche über die Hürden laufen, keinen grossen Nachteil gegenüber denjenigen haben, die über die Hürden fahren. Die geringen Höhenunterschiede verleihen dem Rennen eine zusätzliche taktische Komponente. Weil es keinen langen Anstieg gibt, können sich die Fahrer auf verschiedenen Abschnitten einen Vorsprung herausfahren, gemäss ihrer jeweiligen Stärke. Für die Techniker gibt es 50 Kurven, und die Rouleure können sich auf den langen Geraden absetzen. Eine gute Position in den technischen Passagen wird wichtig sein. Eventuell entscheidet sich das Rennen sogar im Sprint auf der 250 Meter langen asphaltierten Zielgeraden, die Daniel Gysling als «Schweizer Champs-Élysées» bezeichnet.

Streckenchef Daniel Gysling und Nationaltrainer Bruno Diethelm.

Auf der Zielgeraden

Mitte Juli wurde die Strecke von etwa 15 Athleten des Nationalteams getestet, wobei das Augenmerk primär den technischen Abschnitten und den Hügeln galt. So konnte der Schweizer Nationaltrainer Bruno Diethelm die Strecke kritisch unter die Lupe nehmen. Nach dem Test wurden kleine Anpassungen vorgenommen: Eine Kurve wurde verengt, ein Streckenabschnitt mit Neigung verlängert. In einem Anstieg wurde die Kurssetzung so verändert, dass das Velo getragen werden muss.

Vier Monate vor der WM scheint die Strecke mehr oder weniger zu stehen: «Wir sind im Plan, müssen aber immer mit unvorhergesehenen Ereignissen rechnen», sagt Gysling. Um böse Überraschungen zu vermeiden, werden die Pfosten für die Streckenbegrenzung in den Boden getrieben, bevor dieser gefrieren könnte. Die letzten Arbeiten können jedoch erst am Montag bis Mittwoch vor der Weltmeisterschaftswoche gemacht werden, weil der Flugplatz zuvor wegen des Weltwirtschaftsforums in Davos gebraucht wird. Vor dem ersten Februarwochenende hat Gysling daher noch einige Hürden zu überwinden.

Dein Browser ist nicht mehr aktuell. Bitte aktualisiere Deinen Ihren Browser.