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Hiltis Corner

Theater auf dem Bundesplatz: «Wer ist Miguel Indurain?»

Es war an der Tour der Suisse 1989, als ich ihn zum ersten Mal traf. Ein belgischer Kollege hatte mir im April vom kommenden Star erzählt. Dieser sei zwar noch etwas dick, aber das werde mal ein ganz Grosser.

Kolumne von Sara Egli

Wir vom BLICK waren mit einem Grossaufgebot an der Tour de Suisse, aber nicht wegen Miguel Indurain – nein, weil keine Fussball-WM oder -EM stattfand. Drei Schreiber plus Skipapst Serge Lang («Serge Lang blickt dahinter») und ein Fotograf waren täglich im Einsatz. Der Kampf um gute Geschichten war hart. Als dann vor der ersten Etappe in Bern jeder dem Chef Josef Keel (lebt heute als Pensionär im Piemont) seine Ideen vortrug, kam ich mit Miguel Indurain.

Ich hatte mit ihm morgens vor dem Start gesprochen, mit Hilfe des Team-Managers Echavarri. «Wer ist Miguel Indurain?» fluchte mein Kollege, als ich 60 Zeilen haben wollte. «Ich habe eine Geschichte mit dem Winterthurer Marco Diem, der ist immer für eine Flucht gut», wehrte er sich… Indurain stand auf der Kippe, bis Altmeister Serge Lang eingriff. «Indurain ist Riesentalent, der wird der neue Luis Ocaña», hielt er fest. Sah mich an und zwinkerte mir zu – Indurain war im Blatt. Ein paar Minuten später gestand er mir, den Namen Indurain vorher nie gehört zu haben.

Aber was für ein Theater am nächsten Morgen! TdS-Direktor Sepp Voegeli kanzelte mich auf dem Bundesplatz ab: «Sie, Hildbrand, was soll der Spaniöggl im BLICK? Haben wir nicht genug Schweizer am Start? 39 Schweizer – Gottverdelli!», schrie er. Zog in seiner typischen Art die Hosen am Gurt hoch und setzte sich in sein Auto.

Zwei Jahre später gewann Miguel Indurain seine erste Tour de France. Und Sepp Voegeli gestand mir im Herbst 1991: «Sie, Hildbrand, ihr Spaniöggl ist nicht so schlecht – aber der soll wieder mal die Tour der Suisse fahren, erst dann ist er ein Grosser!»

Indurain fuhr nie mehr die Tour der Suisse – als hätte er Voegelis Kritik gehört. Sepp Voegeli starb im Mai 1992 im Alter von 70 Jahren. Miguel Indurain gewann dann noch viermal in Serie die Tour de France.

Hiltis Corner

Hans-Peter Hildbrand (62), seit 1980 Radsport-Journalist beim Blick/Sonntagsblick. Palmarès als Chronist: 39-mal Tour de Suisse, 35-mal Tour de France, 31-mal Tour de Romandie, 5-mal Spanien-Rundfahrt, je rund 30-mal Paris–Roubaix, Flandern-Rundfahrt, Lüttich–Bastogne–Lüttich, 30 Weltmeisterschaften (Strasse, Bahn, Quer) – ohne Sieg, mit nur einem Blechschaden!

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