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WM Imola

Story Gasparotto: WM-Premiere mit 38

16 Jahre hat Enrico Gasparotto als Radprofi bereits auf dem Buckel. Am Sonntag gibt der gebürtige Italiener, der seit über einem Jahrzehnt im Tessin lebt, im Schweizer Trikot sein WM-Debüt.

Enrico Gasparotto und Italiens Radsport-Nationalteam hatten keine Liebesbeziehung. Obwohl er in seiner Karriere bei Ardennen-Klassikern fünfmal auf dem Podest stand und zweimal (2012 und 2016) das Amstel Gold Race gewann, blieb ihm ein Einsatz an einer WM oder an Olympischen Spielen bislang verwehrt. Selbst als italienischer Meister wurden ihm 2005 andere Fahrer vorgezogen. Für die WM 2010 in Australien stand Gasparotto zwar im Aufgebot der Italiener, kam als Ersatzfahrer aber nicht zum Zug. Das Trikot der Azzurri trug er an Titelkämpfen als Profi erst einmal: bei der EM 2016 in Plumelec.

Ein Nationenwechsel im letzten November macht es möglich, dass Gasparotto im Alter von 38 Jahren doch noch zu seiner langersehnten ersten WM-Teilnahme kommt. Im Strassenrennen am Sonntag ist er Teil des Schweizer Nationalteams und mit seiner Routine womöglich ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Teamleader Marc Hirschi für das Finale in Position zu bringen. Zusammen mit dem noch ein Jahr älteren Michael Albasini, der bereits zu seiner 13. WM startet, gehört Gasparotto im Schweizer Sextett die Rolle des Teamseniors. Die beiden haben zu Beginn ihrer Karrieren drei gemeinsame Jahre im Team Liquigas verbracht.

«Ich brauche Fahrer, die in einem hektischen Finale die Übersicht behalten und die richtigen Entscheide treffen»

Marcello Albasini, Nationaltrainer

Marcello Albasini, der Vater von Michael und Nationaltrainer der Schweizer Männer, hat bei der Zusammenstellung des WM-Teams bewusst auf ältere und routiniertere Fahrer gesetzt. „Ich brauche Fahrer, die in einem hektischen Finale die Übersicht behalten und die richtigen Entscheide treffen.“ Das traut er Gasparotto zu. „Klar liegen seine Erfolge schon etwas zurück, als Ardennen-Spezialist dürfte ihm die WM-Strecke mit den vielen Anstiegen aber entgegenkommen.“ Ausserdem habe er im Tirreno – Adriatico zuletzt aufsteigende Form bewiesen, begründet Albasini Gasparottos Nomination.

Gasparotto selber ist überglücklich, dass er von Swiss Cycling die Chance erhält, im Spätherbst seiner Karriere doch noch WM-Luft zu schnuppern. „Damit geht für mich ein Traum in Erfüllung. Ich denke, dies ist eine einmalige Gelegenheit, einem Land, das mir so viel gibt, etwas zurückzuzahlen. Ich lebe seit vielen Jahren in Lugano, meine Frau ist Schweizerin, auch viele meiner Freunde“, sagt der Neo-Schweizer, der in Sacile im italienischen Friaul zur Welt gekommen ist.

«Für mich geht ein Traum in Erfüllung»

Enrico Gasparotto

Die Corona-Pandemie hat auch seine Pläne durchkreuzt. Eigentlich sollte das Jahr 2020 mit den Olympischen Spielen in Tokio und der Heim-WM im Wallis zum letzten grossen Hurra seiner Laufbahn werden. Den Traum von Olympia hat Gasparotto aber noch nicht begraben. Noch weiss er allerdings nicht, wie es mit ihm weitergeht. „Mein Plan wäre es, noch ein Jahr als Fahrer anzuhängen und dann im Nachwuchsbereich oder als Talentscout tätig zu sein.“ Sein Vertrag mit der südafrikanischen World-Tour-Equipe NTT läuft Ende Saison aus. „Mit 38 ist es jedoch nicht einfach, einen neuen Vertrag zu erhalten“, weiss er.

Um sich noch Chancen auf einen der vier Schweizer Olympia-Startplätze ausrechnen zu können, braucht Gasparotto für das nächste Jahr unbedingt einen (neuen) Arbeitgeber. Deshalb sieht er die WM auch als mögliches Schaufenster, um sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen. Aber auch danach gibt es noch reichlich Möglichkeiten, sich bis Ende Jahr zu zeigen. In Geduld ist Gasparotto geübt. Wer so viele Jahre auf seine erste WM-Teilnahme warten kann, wird nicht so schnell nervös.

sda
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