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WM Flandern

Silber für das Geburtstagskind

Weltklasse: Marlen Reusser hat an den letzten fünf internationalen Grossanlässen stets eine Zeitfahr-Medaille gewonnen. Bild: Frontalvision

Gold angestrebt, Silber gewonnen: Marlen Reusser wird im WM-Zeitfahren wie im Vorjahr Zweite. Die Bernerin muss sich an den Titelkämpfen in Flandern der Niederländerin Ellen van Dijk geschlagen geben.

Es hätte ihr grosser Tag werden sollen, der 20. September 2021. Familie und Freunde waren nach Belgien gereist, um Marlen Reusser an ihrem 30. Geburtstag im WM-Zeitfahren zu unterstützen. Die Bauerntochter aus dem Emmental, die erst seit 2017 Radrennen fährt und vor drei Jahren ihren Arztkittel beiseite gelegt hat, um die Radsport-Welt zu erobern.

Das ist ihr eindrücklich gelungen. Mit ihrer frischen Art gewann die Olympia-Silbermedaillengewinnerin von Tokio nicht nur die Herzen des Publikums, sondern vor knapp zwei Wochen im EM-Zeitfahren in Trient auch ihren ersten Titel an einem Grossanlass. „Mit diesen Beinen ist es eine Freude, Rennen zu fahren“, sagte Reusser, mit viel Vorfreude auf das WM-Zeitfahren blickend. Unmissverständlich bezeichnete sie den Gewinn des WM-Titels zu ihrem grossen Ziel.

Das Rennen begann für Reusser dann auch vielversprechend. Die Emmentalerin war am Strand von Knokke-Heist als zweitletzte Fahrerin auf den gut 30 km langen, völlig flachen und meist geradeaus führenden Zeitfahr-Parcours gestartet. Bei den beiden Zwischenzeiten lag sie noch gut drei respektive knapp drei Sekunden vor Ellen van Dijk, welche sie an der EM deutlich auf Platz 2 verwiesen hatte.

Doch auf den letzten 10 Kilometern bis nach Brügge wendete sich das Blatt zugunsten der Niederländerin. Im Ziel fehlten Reusser zehn Sekunden zum ersten WM-Titelgewinn einer Schweizer Zeitfahrerin seit jenem von Karin Thürig im Jahr 2005. Dritte wurde im schnellsten WM-Zeitfahren seit der Premiere 1994 mit der Olympiasiegerin Annemiek van Vleuten eine weitere Niederländerin.

Dass es nicht zu Gold gereicht hat, realisierte Reusser nicht auf Anhieb. „Ich wusste unterwegs, dass ich in Führung lag. Auch beim Überqueren der Ziellinie dachte ich zuerst, dass ich gewonnen hätte.“ Im Zielraum erfährt die Schweizerin, dass sie Zweite geworden ist. Das Drehbuch, das sie sich an ihrem 30. Geburtstag zurechtgelegt hatte, sah definitiv anders aus.

Auch wenn die Jubilarin bei der Siegerehrung das Lachen wiedergefunden hatte, konnte sie ihre Enttäuschung über den verpassten WM-Titel nicht verbergen. „Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich enttäuscht. Es ist nicht das, was ich mir erhofft habe. Aber ich bin glücklich für Ellen van Dijk. Sie freut sich so sehr über diesen Sieg. Das macht es für mich ein wenig einfacher, auch wenn ich wirklich enttäuscht bin“, hielt Reusser fest.

Für Van Dijk war es nach 2013 der zweite WM-Titel im Zeitfahren. Vor einem Jahr in Imola war die 34-jährige Niederländerin Dritte geworden, hinter Reusser und ihrer siegreichen Landsfrau Anna van der Breggen, die sich nicht in bester Verfassung befindet und sich auf das Massenstartrennen konzentriert. Über ihren Silber-Coup war Reusser damals überglücklich. Doch mittlerweile ist die Schweizerin an einem Punkt angelangt, an dem sich ein 2. Platz wie eine Niederlage anfühlt. Das ist die neue Realität.

Hoch ist die Erfolgswelle, auf der Reusser seit dem Gewinn der Silbermedaille im Olympia-Zeitfahren in Japan reitet. Nach ihrer Rückkehr aus Asien konnte die Schweizerin nicht mehr nur in ihrer Paradedisziplin Zeitfahren mit den Weltbesten mithalten, sondern gewann auf der World Tour auch erstmals ein Massenstartrennen. Zudem trug sie kürzlich in zwei Rundfahrten das Leadertrikot.

Auch deshalb sollten sie die starken Niederländerinnen am Samstag im WM-Strassenrennen auf der Rechnung haben. Doch so weit denkt Reusser noch nicht. Zuerst steht am Mittwoch das Zeitfahren für Mixed-Nationalteams auf dem Programm. Und mit etwas Abstand wird sich die Zeitfahr-Europameisterin auch über ihre zweite WM-Silbermedaille freuen können – es ist bereits ihr fünftes Edelmetall an Grossanlässen. sda

Das Podest in Brügge: Marlen Reusser, Ellen van Dijk und Annemiek van Vleuten (von links) Bild: Frontalvision

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