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Rück- und Ausblick von Thomas Peter

Bild: frontalvision.com

Liebe Velofahrerinnen, liebe Velofahrer

Lasse ich das Radsportjahr 2021 gedanklich Revue passieren, muss ich zuerst einmal tief durchatmen. Oft war es herausfordernd, hin und wieder schwierig, gelegentlich aufwühlend, oft erwärmend und manchmal sogar euphorisierend – eine emotionale Achterbahnfahrt auf zwei Rädern. Für mich persönlich war es ein steiler Einstieg als Geschäftsführer. Für Swiss Cycling war es das erfolgreichste Jahr in seiner bald 140-jährigen Geschichte.

Im Bestreben, für unsere Athletinnen und Athleten ideale Voraussetzungen zu schaffen, hatten wir im Vorfeld der Olympischen Spiele in Tokio nichts unversucht gelassen. Da waren die tropischen Verhältnisse, da war die komplexe Logistik, da waren die Covid-19-Massnahmen – allesamt Hürden, aber auch Faktoren, die es kleineren Nationen ermöglichen, sich mit akribischer Vorbereitungsarbeit den einen oder anderen kleinen Vorteil zu verschaffen.

Was in Japan geschah, werden wir nie mehr vergessen. Am 27. Juli erlebten wir eine Sternstunde in der Geschichte des Schweizer Sports. Ich bekomme heute noch Hühnerhaut, wenn ich vor dem geistigen Auge sehe, wie Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand über die Zielgerade fahren, wie sie zu dritt auf dem Podest stehen. Unter dem Strich resultierten für Swiss Cycling ein halbes Dutzend Medaillen und eine Handvoll Diplome – ein aussergewöhnlicher, womöglich einmaliger Ertrag, untrennbar verbunden mit einem perfekt harmonierenden Team. Dabei war nicht einmal alles aufgegangen. Stefan Küng verpasste das Podest nach einer knappen Stunde Fahrzeit um winzige vier Zehntel, Nino Schurter fuhr als Vierter ebenfalls knapp an einem Medaillengewinn vorbei.

Die Frauen standen nicht nur bei Olympia im Zentrum des Geschehens. Im Juni hatten wir aus dem Förderprojekt #fastandfemaleSUI heraus die erste Tour de Suisse Women durchgeführt – Pandemie-bedingt ohne Rahmenprogramm und Zuschauende. Dem ebenso spannenden wie hochklassigen Rennen war eine Zangengeburt vorausgegangen. Selbst als die Rundfahrt bereits lief, war noch nicht klar, ob die Finanzierung sichergestellt werden kann – trotz verhältnismässig geringer Kosten.

Es sprechen zwar viele Leute oft und gerne von Gleichstellung. Aber von gelebter Gleichstellung sind wir offensichtlich auch im 21. Jahrhundert noch ein gutes Stück entfernt.

Die zweite zentrale Erkenntnis des vergangenen Jahres ist, dass wir uns breiter aufstellen müssen.

Das Engagement an der Basis bauen wir sukzessive aus. Unsere Kinder- und Jugendförderprogramme kommen ins Rollen. So wird das Schulprojekt bikecontrol in diesem Jahr dank grosszügiger Förderpartner gegen 10’000 Kinder erreichen – fast doppelt so viele wie im letzten Jahr. Die während des Unterrichts stattfindenden Workshops sind für Schulen und Kinder gratis, die Nachfrage ist nach wie vor wesentlich grösser als das Angebot. Im Frühling haben wir gemeinsam mit Pro Velo den Velopass lanciert; das Abzeichensammelprogramm ist Bestandteil des Labels Swiss Cycling Academy for Kids. Mittlerweile ist auch Swiss Snowsports an Bord; es wird eine langfristige Kooperation von Sommer- und Wintersport angestrebt.

Im Leistungssport haben wir die Verantwortung mit dem Jahreswechsel auf mehrere Schultern verteilt; die kontinuierlich grösser und professioneller werdende Abteilung wird fortan von einem Trio geleitet. Nur auf diese Weise kann es uns mittelfristig gelingen, den Erfolg zu systematisieren. Gleichzeitig reduziert sich durch die neue Konstellation die Gefahr des Machtmissbrauchs. Athletinnen und Athleten, aber auch Trainerinnen und Trainer erhalten zusätzliche Ansprechpersonen; zwischenmenschliche Konflikte können auf diese Weise früher erkannt werden.

Auf politischer Ebene sind wir bemüht, unseren Einsatz für die Velofahrenden zu verstärken, die Rahmenbedingungen für das Velofahren zu verbessern. Die grösste Herausforderung stellt dabei unsere Schlagkraft dar: Swiss Cycling hat 23’000 Mitglieder; in diesem Land gibt es Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von velofahrenden Personen. Es ist ein gewaltiges Potenzial vorhanden, welches wir nicht nutzen können. Wir werden neue Angebote kreieren, neue Mitgliedschaftsformen entwickeln. Allein jedoch werden wir es kaum schaffen – wir sind auf eure Unterstützung angewiesen. Je grösser unsere Bewegung wird, desto mehr Gewicht haben unsere Anliegen. Helft uns, macht eure velofahrenden Kolleginnen und Kollegen auf uns aufmerksam.

Damit die Bedürfnisse der Velofahrenden ernst genommen werden, damit die Infrastruktur für die Velofahrenden verbessert wird. Damit wir auch künftig Emotionen wie jene in Tokio erleben werden.

Ich danke euch für euer Engagement und wünsche euch einen guten Start ins 2022.

Thomas Peter

Geschäftsführer

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