Radquer-WM in der Schweiz
Melchnau 1975: Den Dorfbewohnern bleibt das Schaufeln erspart
Gold, Silber, Bronze – in der Zeitung Rad- und Motor-Sport wurden die Leistungen der Medaillengewinner Roger de Vlaeminck, Albert Zweifel und Peter Frischknecht (von links nach rechts) gewürdigt. Bild: Archiv
Am 1./2. Februar 2020 finden in Dübendorf die 71. Radquer-Weltmeisterschaften statt. Es handelt sich um die achten globalen Titelkämpfe auf Schweizer Boden. Den vierten Teil unserer Rückblickserie widmen wir der WM 1975 in Melchnau.
Melchnau? Melchnau! Selten dürften Radquer-Weltmeisterschaften in solch ländlicher Umgebung durchgeführt worden sein wie im Jahr 1975 im Oberaargau. Um Autogrammjägern die Arbeit zu erleichtern, wurden in der lokalen Presse die Unterkünfte der Nationalteams publiziert. Die Schweizer residierten im Ochsen in Roggwil, die Belgier in der Sonne zu Herzogenbuchsee, die Holländer im Rössli in Bettenhausen. Die grösste Sorge der Organisatoren galt im Vorfeld dem Wetter: Was tun, wenn über Nacht der Schnee kommen sollte, lautete die Kernfrage. Der Notfallplan sah vor, die Dorfbewohner mit Lautsprecherwagen aufzubieten, damit die Strecke mit Schaufeln vom Schnee befreit werden kann.
Befreit werden mussten letztlich die Räder, und zwar vom Dreck. Die Strecke avancierte zum «Morast- und Schlammbad, das gewaltig selektionierte und an die Teilnehmer bezüglich Steuerkunst, Kondition und Durchschlagskraft höchste Anforderungen stellte», wie die Zeitung «Rad- und Motor-Sport» zu berichten wusste. Die Schweizer fanden sich auf dem schwierigen Terrain ausgezeichnet zurecht. Albert Zweifel gewann als Zweiter seine erste WM-Medaille bei den Profis, sein Dauerrivale Peter Frischknecht wurde Dritter. Schneller als die Einheimischen war nur eine ganz grosse Figur aus dem Strassenradsport: Roger de Vlaeminck, neben seinen belgischen Landsleuten Rik van Looy und Eddy Merckx der einzige Athlet, welcher alle fünf Monumente des Radsports mindestens einmal für sich entscheiden konnte.
An der WM 1975 wurden die Velos im Dorfbach gewaschen. Bild: Rad- und Motor-Sport
