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Ausbildung

Mehr Frauen für die Radsportausbildung

Bild: Angelo Brack, Balz Weber

Die Anzahl der Ausbildungswilligen im Radsport wächst, die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern ist hoch. Swiss Cycling ist bestrebt, für die Ausbildung mehr Frauen zu gewinnen.

Das Angebot der Radsportausbildungen in der Schweiz ist sehr vielseitig. So bildet Swiss Cycling seit Jahren J+S-Leiterinnen und -Leiter, Swiss Cycling Guides, Expertinnen und Experten der jeweiligen Ausbildung, Trainerinnen und Trainer sowie Kommissäre und Sportliche Leiterinnen und Leiter aus. Im Folgenden wird der (Rad-)Sport etwas genauer betrachtet, die Geschlechterdiskrepanz aufgezeigt und die Frage gestellt, was angepasst werden sollte, damit der Frauenanteil in der Ausbildung erhöht werden könnte.

Sport in der Schweiz

Laut dem Bericht «Sport Schweiz 2020» des Schweizer Sportobservatoriums (c/o Lamprecht & Stamm Sozialforschung und Beratung) gehört die Schweiz nach Finnland und Schweden zu den sportlichsten Ländern Europas. Heute treiben Frauen und Männer praktisch gleich viel Sport, dies vor allem im Erwachsenenalter. Bei Kindern und Jugendlichen zeigen die Zahlen, dass Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren sportlich weniger aktiv sind als die 10- bis 14-Jährigen. Die männlichen Jugendlichen weisen auf allen Altersstufen eine höhere Sportaktivität auf als die weiblichen. Zudem hören Mädchen und junge Frauen häufig früher wieder mit dem Sport auf, wogegen sich Knaben eher längerfristig engagieren. Die Sportförderung im Pubertätsalter ist deshalb für Sportverbände wie Swiss Cycling besonders wichtig, damit die Jugendlichen aktiv bleiben und sich bestenfalls lebenslang für den Sport engagieren.

«Die Schweiz gehört nach Finnland und Schweden zu den sportlichsten Ländern Europas. Heute treiben Frauen und Männer praktisch gleich viel Sport.»

Radsport in der Schweiz

Nach demselben Bericht gehört Radfahren landesweit zu den Sportarten mit den meisten Aktiven. 42% der Bevölkerung gaben an, Rad zu fahren, wobei 50% davon Frauen waren. Zusätzliche 8% haben die Radsportart Mountainbiken genannt, dies entspricht rund 550’000 Personen. Viele der Radbegeisterten üben den Sport ausserhalb eines Vereins aus. Als Schweizer Radsportverband ist unsere Mission, den Radsport auf allen Ebenen zu fördern. Dazu gehören der Leistungs- und der Breitensport sowie das Velo als Fortbewegungsmittel (Mobilität). Für erfolgreiche Athletinnen und Athleten und bewegungsbegeisterte Breitensporttreibende ist eine gut strukturierte und qualitativ hochwertige Ausbildung äusserst relevant. Wir sind deshalb stets daran, die Radsportausbildung zu verbessern und dem Wandel anzupassen.

«Die Zahl der Ausbildungswilligen stieg in den letzten Jahren erfreulicherweise an. Es bleibt jedoch die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern.»

Radsportausbildungen

Die Ausbildungswege im Radsport sind vielfältig; die Spanne reicht vom 1418coach über die J+S-Ausbildungen, Swiss Cycling Guide, Trainer im Leistungssport und Kommissäre bis hin zum Sportlichen Leiter.

«Eine gut strukturierte und qualitativ hochwertige Ausbildung ist für den Schweizer Radsport von hoher Relevanz.»

Diskussion in der Runde: Das Erlebte wird reflektiert und besprochen.

Mit dem Programm 1418coach wird der Leiternachwuchs schon früh gefördert. 14- bis 18-Jährige werden an erste Leiteraufgaben herangeführt, übernehmen Mitverantwortung und agieren als Hilfsleitende. Personen mit einer J+S-Leiteranerkennung können Kinder und Jugendliche (5- bis 10-Jährige) leiten. Swiss Cycling Guides sind für das kommerzielle Guiding und zum Unterrichten von Erwachsenen befähigt. Im Bereich Mountainbike können erfahrene Guides nach mehrjähriger Ausbildung die Berufsprüfung zur Mountainbikelehrerin respektive zum Mountainbikelehrer mit eidgenössischem Fach­ausweis abschliessen. Die Trainerbildung knüpft an die J+S-Ausbildung an und formt kompetente Trainerinnen und Trainer für Nachwuchs und Spitzensport. Absolventinnen und Absolventen der Kommissärsausbildung und Sportliche Leiterinnen und Leiter nehmen im kompetitiven Radsport wichtige Rollen ein.

Um diese Ausbildungen anbieten zu können, ist Swiss Cycling auf motivierte Teilnehmende, engagierte Leitende sowie ein auf allen Stufen kompetentes Ausbildungsteam angewiesen. Zudem sind Angebote von Vereinen, Bikeschulen, Trainingsstützpunkten und weiteren Institutionen nötig, welche den ausgebildeten Personen Einsatzmöglichkeiten bieten.

Die Zahl der Ausbildungswilligen stieg in den letzten Jahren erfreulicherweise an. Es bleibt jedoch die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern, die sich durch alle angebotenen Radsportausbildungen zieht. Bereits bei den Jüngsten zeigt sich das grössere Engagement der Knaben. Nur beinahe ein Drittel der bis Juli 2022 ausgebildeten 1418-Coaches sind Mädchen. In der Kaderbildung von J+S lag der Anteil der Frauen im Jahr 2021 in allen Sportarten bei 41%. Im Vergleich zwischen dem Radsport und den drei grössten J+S-Sportarten Fussball, Turnen und Tennis zeigen sich Unterschiede: Der Anteil der Frauen im J+S-Leiter-Team Radsport (26%) lässt sich mit Tennis (Frauenanteil: 28%) vergleichen. Der Spitzenreiter Fussball zeigt sich als männerdominierte Sportart (95% Männer), Turnen als eher frauendominierte Sportart (Frauenanteil 58%). Mit einem Anteil von rund 13% sind die weiblichen Swiss Cycling Guides deutlich in der Minderheit. Der Vergleich der Guides im Bereich Mountainbike mit den Road Guides bringt eine höhere Frauenquote bei den Road Guides zutage (13% vs. 27%). Von insgesamt neun Mountainbikelehrerinnen und -lehrern mit eidgenössischem Fachausweis ist eine Person weiblich. Die Expertenteams von J+S und Swiss Cycling Guide sind mit einem Frauenanteil von rund 10% gleich aufgestellt.

Zwischen 2012 und 2022 konnten 25 Personen den Berufstrainerlehrgang abschliessen, darunter 4 Frauen (16%). Die Gruppe der Kommissäre besteht zu einem knappen Fünftel aus Frauen. Die stärkste Diskrepanz findet sich unter den Sportlichen Leiterinnen und Leiter: Nur gerade 5% sind Frauen.

Übrigens: Hinter der Struktur und der Organisation der Radsportausbildungen steckt ein motiviertes Team auf der Geschäftsstelle von Swiss Cycling. 60% der Teammitglieder sind Frauen, welche sich für die Ausbildungen einsetzen und diese stets vorantreiben.


Interview mit Anja Rohrer

«Ich wünschte mir mehr aktive Frauen und Mädchen in den Schweizer Radsportclubs.»

Anja Rohrer (35) wohnt im Kanton Graubünden und ist seit mehreren Jahren als J+S-Expertin und Ausbildnerin bei Swiss Cycling Guide tätig. 2019 schloss sie als erste Frau die Ausbildung zur Mountainbikelehrerin mit eidgenössischem Fachausweis ab.

Swiss Cycling möchte in den kommenden Jahren versuchen, Frauen in der Ausbildung zu fördern. Sei es, sie zum Beginnen einer Ausbildung zu motivieren oder bereits engagierte Frauen für den nächsten Schritt in der Ausbildung zu gewinnen. Dafür gibt es bereits Ideen, welche unter anderem in Gesprächen mit Leiterinnen entstanden. Eine Person mit guten Ideen und grosser Einsatzbereitschaft ist Anja Rohrer. Ihr haben wir zu diesem Thema ein paar Fragen gestellt.

 

Wie kam es dazu, dass du 2015 die J+S-Radsportausbildung begonnen hast?

Zu jener Zeit unterrichtete ich als Sport- und Englischlehrerin in Basel. Das Gymnasium, an welchem ich arbeitete, besuchte einmal pro Jahr das Centro Sportivo in Tenero und jemand musste sich dort um die Bike-Gruppe kümmern. Eigentlich war ich Leichtathletin, aber weil ich als einzige Lehrperson ein funktionsfähiges Mountainbike besass, wurde ich für diese Aufgabe einstimmig gewählt… Diese Verantwortung wollte ich nicht unvorbereitet übernehmen, darum meldete ich mich für den J+S-Leiterkurs an.

 

Seit 2017 bist du J+S-Expertin. Was ist deine Motivation, als J+S-Expertin zu arbeiten?

Als ich die Ausbildung begann, dachte ich nie im Leben daran, J+S-Expertin zu werden. Die damalige Kursleiterin kam aber auf mich zu und motivierte mich, doch weiterzumachen. Heute gebe ich meine Begeisterung für das Mountainbiken sehr gerne weiter und finde es wichtig, Sportangebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen und die Kinder und Jugendlichen zu fördern.

 

2017 hast du die Swiss Cycling Guide Ausbildung begonnen, seit 2019 bist du Mountainbikelehrerin mit eidgenössischem Fachausweis. Bis auf wenige Ausnahmen bist du in den Kursen jeweils die einzige Frau im Ausbildungsteam von Swiss Cycling Guide – wie gehst du damit um?

(lacht)… Die Männer kümmern sich hervorragend um mich und, soweit ich weiss, schätzen sie es, eine Frau im Boot zu haben. Über weitere Frauen im Ausbildungsteam würde ich mich natürlich sehr freuen!

 

Wie erklärst du dir, dass verhältnismässig wenige Frauen in der Radsportausbildung tätig sind?

Das Mountainbiken erlebte in den letzten Jahren einen grossen Aufschwung, eigentlich gäbe es genügend passionierte Mountainbikerinnen. Viele fühlen sich aber meiner Meinung nach durch die Angebote der Radsportclubs nicht abgeholt, weil sich diese sich oft auf Kinder und Jugendliche oder den Rennsport ausrichten. Zudem fehlen häufig Gleichgesinnte, die bereits Mitglied in einem Club sind und die Interessentinnen nachziehen. Um diese Personen abzuholen, müssten die Radsportclubs attraktivere Programme für Erlebnis- und Breitensport anbieten.

 

Wie war das bei dir?

Nach dem J+S-Leiterkurs begab ich mich auf die Suche nach einem Radsportclub mit einem passenden Angebot für mich, welches fahrtechnische Herausforderungen und Naturerlebnisse mit Gleichgesinnten bietet. Leider konzentrierten sich die Vereine in der Region aber auf Kinder- und Jugendtrainings. Nach einer Weile wurde ich ins Stützpunkttraining des RRZ Nordwest aufgenommen und konnte dort vom Techniktraining profitieren, obwohl dieses eigentlich nur für Cross-Country-Nachwuchsfahrerinnen und -fahrer gedacht war.

 

Wie geht es dir in diesem Umfeld als Frau?

Ich fühle mich sehr wohl in diesem Umfeld. Trotzdem wünschte ich mir mehr aktive Frauen und Mädchen in den Schweizer Radsportclubs.

 

Versuchst du, andere Frauen zu motivieren, J+S-Expertin oder Swiss Cycling Guide-Ausbildnerin zu werden?

Ja, das versuche ich, aber ich tue das auch bei Männern, welche tolle angehende Experten oder Ausbildner wären.

 

Gibt es aus deiner Sicht etwas, das wir als Schweizer Radsportverband ändern könnten, damit mehr Frauen den Weg in die Ausbildung finden?

Der Schweizer Radsportverband könnte den Mountainbike-Breitensport noch besser unterstützen und Clubangebote für junge Erwachsene fördern, welche nicht unbedingt den Wettkampf, sondern das Erlebnis und das Erlernen von Bike Skills ins Zentrum stellen.

 

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