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Aus der Musette

Leitungswasser und leckeres Brot – sonst vieles wie gewohnt

Im Fussball oder Eishockey spricht man oft vom Heimvorteil. Das eigene Stadion und die eigenen Fans beflügeln die Spielerinnen und Spieler, die Siegchancen steigen. Gibt es das auch auf im Bahnradsport? Mit den Europameisterschaften im Tissot Velodrome in Grenchen steht ein Saisonhöhepunkt bevor – vor der Haustür.

Europameisterschaften vor Heimpublikum. Eines der wichtigsten Rennen der Saison auf jener Bahn, auf welcher man ständig trainiert. Irgendwie ein komisches Gefühl. Es fängt schon bei der Planung an. Die Anreise ist am Montag, nur einen Tag vor Beginn der Wettkämpfe. Normalerweise reist man zwei bis drei Tage vor den ersten Rennen an. So kann man sich von der Reise erholen, sich an die Bahn gewöhnen, sich im Hotel einleben. Nicht dieses Mal. Was wird sonst noch anders sein? Das Hotel. Man kann seine eigene Sprache sprechen, entdeckt am Frühstücksbuffet bekannte Produkte und kann sogar das Leitungswasser trinken. Oh, und dieses gute schweizerische Brot! Auch die Trainingsausfahrten gestalten sich einfacher. Man kennt die Strassen rund um das Velodrome und läuft nicht Gefahr, plötzlich unwissend auf der Autobahn zu landen. Alles schon passiert.

Was wird sich sonst ändern? Nicht viel. Grossanlässe auf der Bahn gestalten sich, von den Rennen abgesehen, eher unspektakulär. Weil nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vorfeld gleichzeitig auf der Bahn trainieren können, wird jede Nation in einen Trainingsblock eingeteilt. Diese Trainings gestalten sich oft sehr hektisch, die Bahn ist meistens überfüllt. Teilt man die Trainingszeit beispielsweise mit Polen, welche in der Regel mit mehr als zwanzig Athletinnen und Athleten am Start stehen, muss man schon sehr aufpassen, von niemandem über den Haufen gefahren zu werden. Oder umgekehrt. Mein Lieblingsort in diesen Trainings ist immer ganz oben an der Balustrade. Da oben ist es zwar hart, ich bin aber sicher niemandem im Weg. Lieber müde als überfahren werden, oder?

Den Rest des Tages verbringen wir Athletinnen im Hotel. Unser Nationalcoach sagt immer: «Laufe nicht, wenn du sitzen kannst, sitze nicht, wenn du liegen kannst». Daran halten wir uns natürlich immer ohne zu meckern. Wer sagt schon etwas dagegen, den Rest des Tages im Bett zu liegen? So schlagen wir tagelang die Zeit tot mit allen möglichen Erholungsmassnahmen, Netflix, Büchern oder Spielen. Arbeiten oder lernen für die Uni steht natürlich auch ganz oben auf der Liste. Oder so.

Weil die Rennen meistens am Abend stattfinden, fühlen sich diese Stunden im Hotelzimmer oft sehr lange an. Man ist nervös und möchte am liebsten so schnell wie möglich ins Velodrome fahren. Sobald man dann endlich den Innenraum der Bahn erreicht hat, legt sich die Nervosität. Man hat einen geregelten Ablauf der Vorbereitungen und ist abgelenkt. Wenn man zur Startlinie rollt, flackert die Nervosität nochmals auf, doch sobald der Startpfiff ertönt, ist sie weg. Showtime!

Ob die Heim-EM in Grenchen zusätzlich auf die Nerven schlägt, wird sich zeigen. Es wird auf jeden Fall ein besonderes Gefühls sein, vor Familien, Freunden und Bekannten auf der grossen Bühne aufzutreten und von ihnen unterstützt zu werden. Und ja – wir werden natürlich versuchen, unsere Heimvorteile zu nutzen!

Zur Autorin

Als Athletin dreht sich Michelle Andres, Jahrgang 1997, vornehmlich im Oval. Als Praktikantin bei Swiss Cycling lernt die Aargauerin den Radsport von einer anderen Seite kennen. Als Kolumnistin schreibt die Kommunikationsstudentin über Erlebnisse aus dem Rennfahrerinnenalltag.

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