WM Dübendorf
Junge Schweizer WM-Trümpfe
Aufsteiger: Kevin Kuhn ist in diesem Winter in die Weltspitze vorgestossen; der Zürcher Oberländer gehört in Dübendorf zu den Medaillenkandidaten. Bild: Elisa Haumesser
Am Wochenende finden auf dem Flugplatz Dübendorf die ersten Radquer-Weltmeisterschaften auf Schweizer Boden seit 25 Jahren statt. In Abwesenheit der verletzten Jolanda Neff ruhen die Hoffnungen der Gastgeber auf dem Nachwuchs. Der niederländische Alleskönner Mathieu van der Poel ist der Topfavorit bei den Männern.
Albert Zweifel, Peter Frischknecht, Beat Breu, Beat Wabel, Dieter Runkel: Die Schweiz blickt auf eine ruhmreiche Quer-Vergangenheit zurück. Es ist aber lange her, seit ein Eidgenosse an einer WM letztmals auf höchster Stufe reüssiert hat. 1997 gewann der spätere Mountainbiker Thomas Frischknecht in München Silber – zwei Jahre nachdem Runkel in Eschenbach an den letzten Titelkämpfen in der Schweiz für einen Heimsieg gesorgt hatte.
Mit dem Aufkommen des Mountainbike-Sports verschwand Radquer hierzulande nahezu in der Bedeutungslosigkeit. Ein Umstand, gegen den der Verband Swiss Cycling in den letzten Jahren vorgegangen ist: mit zwei Weltcuprennen 2018 und 2019 in Bern sowie der WM am Wochenende in Dübendorf. Dazu etablierte sich die nationale Serie der EKZ Cross Tour als fixer Bestandteil der Quersaison.
Auf Nachwuchsstufe zahlten sich die Bemühungen bereits aus, und am Wochenende könnten weitere Meriten dazukommen. Der Zürcher Kevin Kuhn steigt am Samstag als Gesamtsieger im U23-Weltcup in die Titelkämpfe, der St. Galler Dario Lillo am Sonntag als etatmässige Nummer 2 bei den U19-Junioren. Auch der Lausanner Loris Rouiller, vor gut zwei Jahren U19-Europameister, fährt in der U23 mit Medaillenchancen. Nationalcoach Bruno Diethelm spricht von einem „riesigen Leistungsschritt in den letzten zwei, drei Jahren“ und sagt nicht ohne Stolz: „Bei den Männern sind wir im U23-Nationenranking die Nummer 2.“
Wenn am Tag X alles zusammenpasse, sei beim Nachwuchs auch ein Weltmeistertitel möglich, sagt Diethelm. Die Schweizer Elitefahrer um den 24-jährigen Teamleader Timon Rüegg und die Routiniers Simon Zahner und Marcel Wildhaber müssen sich auf dem vergleichsweise flachen, mit diversen Schutzwällen und Brücken gespickten WM-Kurs auf dem Flughafen-Gelände indes etwas tiefere Ziele setzen. Zu dominant ist die Konkurrenz aus den führenden Nationen.
Der inzwischen in diversen Disziplinen vorne mitmischende Ausnahmekönner und Titelhalter Mathieu van der Poel ist dabei der grosse Gejagte. Sein erster Herausforderer ist der Belgier Toon Aerts, der Gewinner der Weltcup-Gesamtwertung. Ob auch Van der Poels Dauerrivale Wout van Aert nach seinem schweren Sturz an der letztjährigen Tour de France wieder ein relevanter Faktor sein kann, muss sich zeigen.
Bei den Frauen ist die Zahl der Siegesanwärterinnen grösser – wobei in dieser Saison im Weltcup ausnahmslos Niederländerinnen gewonnen haben. In Abwesenheit der verletzten Rekordweltmeisterin Marianne Vos waren Annemarie Worst, Lucinda Brand und Ceylin del Carmen Alvarado tonangebend. Sanne Cant, die belgische Weltmeisterin der letzten drei Jahre, hofft derweil, die Form rechtzeitig auf die WM gefunden zu haben.
Die grosse Abwesende ist aus Schweizer Sicht Jolanda Neff. Die Mountainbike-Weltmeisterin von 2017 und dreifache Gesamtweltcup-Siegerin zog sich bei einem Trainingssturz kurz vor Weihnachten unter anderem einen Milzriss, innere Blutungen und einen Lungenkollaps zu und muss noch mehrere Monate stillsitzen. Neffs Fokus liegt auf einer Teilnahme an den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio.
Text: Jonas Schneeberger/Keystone-SDA