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Corona-Pandemie

„Ich habe mich in eine Art Selbst-Quarantäne begeben“

Nino Schurter (hier an der WM 2019 in Kanada): „Im Moment trainiere ich auch, um einen normalen Ablauf zu haben und dem Ganzen zu entfliehen.“ Bild: Ego-Promotion

Nino Schurter spricht im Interview mit der Agentur Keystone-SDA über die schwierige Rückkehr aus Südafrika, die aktuelle Lage in der Schweiz und den Umgang mit der Ungewissheit. „Der Sport rückt in den Hintergrund“, hält der Mountainbike-Olympiasieger von Rio de Janeiro fest.

Du bist nach der Absage des Cape Epic am Mittwoch aus Südafrika in die Schweiz heimgekehrt. Wie hast du die Situation in der Gegend um Stellenbosch erlebt?

Nino Schurter: Die Welle traf in Südafrika mit Verzögerung ein. Eine gewisse Skepsis, ob das Cape Epic stattfinden würde, war bereits vor dem Abflug nach Südafrika vorhanden. Aber als wir am 9. März abreisten, gab es im Land erst einen bestätigten Fall. Wir hatten die Hoffnung, dass das Coronavirus Südafrika nicht richtig erreichen würde. Die Tage dort fühlten sich dann auch recht normal an. Die Realität ist nun aber, dass in Südafrika das Gleiche passiert wie hier in Europa, einfach mit zwei Wochen Verzögerung. Zuletzt wurden Schulen geschlossen und Events wie das Cape Epic abgesagt. Ich denke, das öffentliche Leben wird in den nächsten Tagen auch in Südafrika weitgehend zum Erliegen kommen.

Du bereitest dich seit längerem jeweils im Frühjahr einen bis zwei Monate lang in Südafrika auf die Saison vor, hast das Land auch schon als zweite Heimat bezeichnet. Wie gehen die Leute in Südafrika mit dem Thema um?

Eine Freundin, die als Ärztin im Spital von Stellenbosch arbeitet, nervt sich über das Thema. In ihrem Spital sterben täglich mehrere Kinder an Tuberkulose und HIV. In Kombination mit dem Coronavirus spitzt sich die ohnehin schon schwierige Situation zu. Den Leuten geht es allen ähnlich: Niemand weiss genau, was auf einen zukommt. Alle brauchen Zeit, um zu realisieren, was eigentlich abgeht – wie in Europa. Ich kann mir vorstellen, dass es in Ländern wie Südafrika mit vielen armen Leuten noch schwieriger zu vermitteln ist, wie kritisch die Situation ist. Dabei müssen die Länder in Afrika noch schneller reagieren. Ihre Möglichkeiten, die Ausbreitung zu stoppen, sind weniger gut als unsere. Auch Social Distancing könnte sich in Afrika schwieriger gestalten, weil es in den ärmeren Gebieten üblich ist, dass 10 oder 15 Personen in einem Raum wohnen.

Wegen den Reise-Beschränkungen verlief die Heimreise nicht unkompliziert.

Lars Forster und ich bekamen zwei Plätze in einem der letzten Flüge am Mittwoch. Wir mussten neue Tickets kaufen, Umbuchen war nicht möglich. Die anderen Schweizer buchten Tickets für einen Flug am Freitag, vier Stunden später wurde dieser gestrichen. Sie hoffen nun auf einen Flug in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag. Nicht zu wissen, ob man in der aktuellen Situation noch nach Hause zu seiner Familie kommt oder am anderen Ende der Welt festsitzt, macht natürlich nervös – vor allem in einem Land, in dem das Gesundheitssystem nicht das Beste ist. Ich bin froh, sind wir wieder zu Hause, sind in meinem Umfeld alle gesund. Ich habe mich für die nächsten fünf Tage in eine Art Selbst-Quarantäne begeben, bin zurzeit alleine zu Hause, weil ich mich durch das Reisen, die Aufenthalte an Flughäfen und in Flugzeugen einem Risiko ausgesetzt habe.

Die WM in Albstadt von Ende Juni ist noch nicht abgesagt, auch der Weltcup-Auftakt von Ende Mai in Nove Mesto und die Olympischen Spiele stehen noch im Kalender. Fällt es schwer, sich in der aktuellen Situation auf das Training zu konzentrieren?

Momentan fällt es mir tatsächlich schwer, fokussiert zu bleiben. Alles ist unklar. Dass ich nicht weiss, wann ich mein nächstes Rennen bestreiten werde, habe ich meiner Karriere noch nie erlebt. Normalerweise hast du Fixpunkte und weisst entsprechend, wie der Fahrplan aussieht. Jetzt ist es für alle Sportler eine Challenge. Du stehst vor der Frage, auf welches Datum du den Formaufbau ausrichten sollst. Ob du das Training voll durchziehen oder eine Pause einlegen sollst. Das ist auch für die Motivation schwierig. Der Sport rückt durch das Coronavirus in den Hintergrund.

Wie sieht dein Training in diesen Tagen aus?

Ich habe zu Hause Fitnessgeräte und absolviere meine Krafteinheiten, wenn auch etwas weniger intensiv als normalerweise zu diesem Zeitpunkt. Zudem gehe ich alleine mit dem Velo raus, ohne Kontakt zu anderen Menschen – auch, um mich keinem Risiko auszusetzen, selbst angesteckt zu werden. Weil sich die Rennen verschieben könnten, du aber jederzeit bereit sein willst, besteht die Gefahr, dass du ausgebrannt bist, falls es sich hinziehen sollte. Ich werde deshalb jetzt eine Ruhewoche einlegen. Nach der Pause habe ich zwei volle Trainingsblöcke geplant, und Ende Mai hoffe ich auf den Weltcup-Start in Nove Mesto. Im Moment trainiere ich auch, um einen normalen Ablauf zu haben und dem Ganzen zu entfliehen.

 

Interview: Keystone-SDA

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