Gino Mäder
„Ich bin kein Überflieger à la Hirschi“
. Bild: Keystone
Gino Mäder gehört zur neuen Generation der Schweizer Radprofis, die in den letzten Monaten stark auf sich aufmerksam gemacht haben. Der 24-Jährige ist im bernischen Wiedlisbach aufgewachsen und wohnt mittlerweile im Kanton Zürich. Mäder ist ein starker Kletterer, der bereits 2018 im wichtigsten Nachwuchsrennen, der Tour de l’Avenir, als Gesamt-Dritter auf dem Podest stand. Im letzten Monat gewann der Fahrer des Teams Bahrain-Victorious, bei welchem er bis Ende 2022 unter Vertrag steht, die 6. Etappe des Giro d’Italia solo.
Gino Mäder, an den ersten zwei Tagen dieser Tour de Suisse lief es Ihnen sehr gut. Danach aber verloren Sie eineinhalb Minuten auf die Spitze – was war in der 3. Etappe los?
Das Zeitfahren in Frauenfeld lief erstaunlich gut. Da war ich selbst ein bisschen überrascht von mir. Am Montag nach Lachen war recht ‚punchy‘, was ich eher nicht so gerne habe. Aber auch da konnte ich den Schaden in Grenzen halten. Dann kam die Etappe nach Pfaffnau, wo es mir nicht so gut lief. Es war nicht miserabel, aber auch nicht so gut wie erhofft.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Nein. Es kam unerwartet. Auch beim Fahren merkte ich lange nichts. Beim letzten Anstieg gingen dann aber die Lichter aus. Das war ein riesiger Frust.
Nach der ersten Berg-Etappe nach Leukerbad mussten Sie Ihre Ambitionen aufs Gesamtklassement gar gänzlich begraben.
Schon zuvor war nicht mehr möglich, die Tour de Suisse zu gewinnen. Das Level von einem Richard Carapaz und Maximilian Schachmann ist noch einiges höher.
Sie mussten den Giro d’Italia wegen eines Sturzes aufgeben. Wie gut sind die damals erlittenen Verletzungen verheilt?
Die Wunde am linken Ellenbogen verheilt gut. Die eine Rippe allerdings bereitet mir noch Schmerzen. Auch die Hüfte ist noch etwas verschoben. Aber unser Osteopath hat das recht gut im Griff.
Zuvor gelang Ihnen in der 6. Giro-Etappe ein Solo-Sieg. Wie fest empfanden Sie diesen als Bestätigung, auch auf oberster Stufe liefern zu können?
Das war tatsächlich eine Bestätigung. Es war keineswegs ein überraschender oder glückhafter, sondern vielmehr stark herausgefahrener Sieg. Aber irgendwie ist er für mich auch schwierig einzuordnen, weil ich einige Tage später die Rundfahrt verlassen musste. Deshalb hinterlässt der Sieg nicht ganz das gleiche Gefühl bei mir, wie wenn ich den Giro beendet hätte. Diese letzten paar Etappen fehlen mir irgendwie. Doch der Sieg macht mich natürlich trotzdem stolz und glücklich.
Bahrain-Victorious gehörte in den letzten Monaten zu den auffälligeren Teams.
Tatsächlich haben wir bei Bahrain viele gute Fahrer, so zum Beispiel Mikel Landa, der allerdings im Moment leider verletzt ist. Oder Damiano Caruso, der beim Giro Gesamt-Zweiter geworden ist. Mark Padun gewann beim Dauphiné die letzten zwei Berg-Etappen. Dann haben wir eben auch Wout Poels, der bislang an der Tour de Suisse sehr stark fuhr. Das gibt dem ganzen Team Aufwind, wenn man merkt, dass man vorne dabei ist und bei jedem Rennen etwas erreichen kann.
Und wie sieht Ihre Rolle aus im Team, zu welchem Sie vor der Saison gewechselt haben?
Ich fühle mich sehr gut aufgehoben und merke, dass die Teamführung an mich glaubt. Ein Stück weit bestätige ich dieses Vertrauen auch durch meine Resultate. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich ein Überflieger à la Hirschi wäre.
Sie waren doch bei den U23 vergleichbar erfolgreich und haben mittlerweile auch bei den Profis einige Male auf sich aufmerksam gemacht.
Doch nicht wie das Marc im letzten Jahr gezeigt hat. Das war noch viel, viel beeindruckender. Und bei den U23 sind die Rennen anders. Aber ich gebe mir Mühe, um Ähnliches zu erreichen und um mein Standing in der Equipe auszubauen. Tatsache ist aber auch, dass ich etwas länger als Marc brauchte. Er hingegen ist gleich in der ersten Saison durchgestartet. Doch es kommt bei mir schon auch gut.
Haben Sie noch oft Kontakt mit Marc Hirschi?
Nicht wahnsinnig viel. Ich bin nach Zürich gezogen, er wohnt weiterhin in Bern. Die räumliche Distanz ist grösser geworden. Wenn wir uns aber wieder sehen, dann ist es gleich wieder wie damals, als wir zusammen Rennen gefahren sind.
Ein wichtiges gemeinsames Rennen folgt im Juli in Japan.
Genau. Ich bin für Olympia aufgeboten, um Marc (Hirschi) zu unterstützen.
Das tönt fast ein bisschen ironisch…
Nein, keineswegs. Ich freue mich. Wir verstehen uns gut. Wenn wir uns dann im Rennen finden und etwas Gutes machen können, dann wäre das umso schöner.
Wie geht es für Sie danach weiter?
Vielleicht mit der Vuelta. Diese würde ich gerne fahren, um heuer eine Grand Tour zu Ende fahren zu können. Doch um ins Aufgebot zu kommen, muss ich noch ein bisschen was zeigen.
SDA