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OS Tokio

„Heute konnte man sich nicht verstecken“

Gute Vorbereitung fürs Zeitfahren: Stefan Küng konzentriert sich nach dem harten Strassenrennen voll auf seine Spezialdisziplin am Mittwoch. Bild: SWpix

Die Schweizer können im Strassenrennen nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Aus dem Quartett klassiert sich Marc Hirschi als Bester im 25. Rang. Olympiasieger wird Richard Carapaz aus Ecuador, der in der Hitze die Gunst der Stunde nutzt.

Die Schweizer um ihren Teamleader Marc Hirschi wollten auf dem 234 km langen und mit fast 5000 Höhenmetern gespickten Parcours im bergigen Umland von Tokio ein aktives Rennen fahren. Doch die grosse Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit liess nur wenig zu. Erst als die ursprünglich acht Fahrer grosse Ausreissergruppe gut 50 km vor dem Ziel gestellt wurde, erfolgten aus dem Feld heraus die ersten (erfolglosen) Angriffe.

So musste wie erwartet der sehr steile Mikuni-Pass als Scharfrichter dienen. Schon zu Beginn des knapp 7 km langen und durchschnittlich 10 Prozent steilen Anstiegs fiel ein Grossteil des Feldes dem horrenden Tempodiktat der Belgier zum Opfer. Als 37 km vor dem Ziel Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar mit einem Antritt eine spektakuläre Schlussphase einläutete, fiel mit Marc Hirschi auch der letzte Schweizer aus der Entscheidung.

Der Berner, das Jahr über bei UAE Emirates Teamkollege des Slowenen, hatte am höchsten Punkt bereits über zwei Minuten Rückstand – zu viel, um noch einmal in den Kampf um die Medaillen eingreifen zu können. Bis ins Ziel büsste Hirschi als 25. über sechs Minuten ein. „Nur die Besten konnten mithalten. Es war extrem heiss, leider hat es für mich nicht gereicht“, resümierte Hirschi, der noch vor vier Wochen zu Beginn der Tour de France schwer gestürzt war.

Sein Landsmann Stefan Küng brachte es auf den Punkt. „In einem solchen Rennen kannst du dich nicht verstecken. Wenn du die Beine hattest, warst du vorne dabei, sonst nicht.“ Der Thurgauer, der zusammen mit Michael Schär im Schweizer Team als Helfer fungierte, beendete das Rennen als 40. Schär wurde 31., der als Co-Leader agierende Gino Mäder 74.

Bereits kurz nach Rennende hatte Küng den Fokus wieder nach vorne gerichtet. Am Mittwoch gehört er im Zeitfahren zu den Favoriten. Dass er das Strassenrennen trotz der happigen Bedingungen zu Ende gefahren ist, erachtete er nicht als Nachteil. „Gerade weil es am Mittwoch wieder ein schwieriges Rennen wird, war es heute wichtig, diesen Effort zu machen, um nach der Tour de France wieder ins Renn-Feeling zu kommen.“

Küng hatte im Vorfeld des Strassenrennens prophezeit: „Olympiasieger wird ein Fahrer, der die Tour de France bestritten hat.“ Und der Zeitfahr-Europameister sollte mit seiner Prognose recht behalten. Der Brite Adam Yates war als Neunter der am besten klassierte Fahrer, der sich nicht an der Grand Boucle auf Tokio vorbereitet hatte.

Carapaz trotzt der Hitze und schlägt sie alle

Die Medaillen teilte ein Trio unter sich auf, das schon bei der Ankunft der Frankreich-Rundfahrt auf den Champs-Elysées auf dem Podest gestanden hatte. Olympiasieger wurde aber keiner der absoluten Topanwärter – weder Wout van Aert, der Gewinner der Schlussetappe in Paris, noch Tour-Dominator Pogacar. Diesmal war die Reihe an Richard Carapaz, dem Gesamtdritten der Tour de France.

Für den 28-jährigen Profi vom Team Ineos-Grenadiers war es das mit Abstand beste Ergebnis in einem grossen Eintagesrennen, nachdem er zuvor vor allem bei grossen Rundfahrten auf sich aufmerksam gemacht hatte. 2019 gewann er als erster Ecuadorianer den Giro d’Italia, in diesem Jahr schaffte er es nach seinem Sieg an der Tour de Suisse auch in der Frankreich-Rundfahrt (als Dritter) aufs Podest.

Am Samstag packte Carapaz den extremen äusserlichen Bedingungen zum Trotz die Gelegenheit beim Schopf. Zusammen mit dem überraschend starken Amerikaner Brandon McNulty war es ihm 25 km vor dem Ziel in einem flacheren Teilstück zum letzten Anstieg zum Kagosaka-Pass gelungen, die noch elf Fahrer grosse Spitzengruppe mit den Topfavoriten zu sprengen. Das Duo kam weg und bog schliesslich gemeinsam auf den Fuji International Speedway ein.

Auf der Motorsport-Rennstrecke am Fusse des höchsten japanischen Berges Fuji entledigte sich Carapaz auch seinem letzten Begleiter. Dahinter versuchte Wout van Aert, der vermeintlich Endschnellste unter den Verfolgern, vergeblich, die Lücke nochmals zu schliessen. Keiner wollte dem Belgier helfen. So konnte Carapaz nach über sechs Stunden Fahrzeit mit einem Vorsprung von 1:07 Minuten als Solosieger einfahren. „Das ist ein unglaublicher Moment für mich. Man muss immer an sich glauben. Ich habe so hart gearbeitet, um hier zu sein“, zeigte er sich überglücklich. sda/SC

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