«Bruno the Chef»
Er sorgt für eine Portion Heimat auf dem Teller
Seit Jahren reist Bruno Odermatt alias «Bruno the Chef» mit Swiss Cycling in Trainingslager und an Events. Er ist mehr als «nur» ein Meister am Herd, er ist für viele zum unverzichtbaren Teil der Delegation geworden. Ready to Ride stellt jenen Mann vor, der mit seinen Kochkünsten die Herzen der Schweizer Athletinnen und Athleten erobert hat.
n der Welt des Radsports stehen oft die Fahrerinnen und Fahrer im Rampenlicht. Doch hinter den Kulissen arbeiten viele unsichtbare Betreuerinnen und Betreuer, die ebenso zum Erfolg eines Teams beitragen. Einer dieser besonderen Menschen ist Bruno Odermatt, bekannt als «Bruno the Chef». Seit über zwei Jahrzehnten begleitet er das Swiss Cycling Team als Koch auf Delegationsreisen und sorgt mit seinen Künsten nicht nur für volle Mägen, sondern auch für eine familiäre Atmosphäre. Was überaus wertvoll ist.
Brunos Weg zu Swiss Cycling begann indes nicht in der Küche, sondern auf ganz anderen Pfaden: Ursprünglich stiess er als Kommissär in der Disziplin Mountainbike zum Schweizer Radsportverband. Mehrere Jahre lang war er in dieser Funktion tätig, bevor der damalige Delegationsleiter und Verantwortliche der MTB-Kommissäre ihn fragte, ob er das Team auf den Reisen als Koch begleiten möchte. So begann Brunos zweite Karriere bei Swiss Cycling – die Geschichte von «Bruno the Chef».
Seinen ersten Einsatz als Delegationskoch hatte Bruno im Jahr 2001 an den Mountainbike-Weltmeisterschaften in Vail und Beaver Creek (USA). Was damals als einmalige Unterstützung gedacht war, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer festen Rolle im Team. Zunächst begleitete er ausschliesslich die Bikerinnen und Biker. Sein Ruf jedoch eilte ihm voraus, was zur Folge hatte, dass auch die Verantwortlichen anderer Disziplinen bei ihm anklopften. Bald stand Bruno bei Titelkämpfen auf der Strasse in der Küche, und im letzten Jahr kamen die BMX-Racing-Athletinnen und -Athleten ebenfalls in den Genuss seiner Kochkünste.
Fast wie eine Familie
In der laufenden Saison erlebte er neuerlich eine Premiere, wurde doch das Bahn-Nationalteam im Oktober an den Weltmeisterschaften in Dänemark erstmals von «Bruno the Chef» bekocht. Zudem war Bruno bis zur vergangenen Saison auch während dreier Jahre teil des Betreuerstabs des Thömus maxon MTB-Teams, bei dem er an Weltcup-Events unter anderen Alessandra Keller und Mathias Flückiger kulinarisch verwöhnte.
Wer sich fragt, was Bruno auf seinen Reisen immer dabeihat, erhält eine humorvolle Antwort: «Mein Messerkoffer ist das Wichtigste – mit essenziellen Utensilien wie Messern, Pinseln und Raffeln.» Doch das ist längst nicht alles. «Natürlich habe ich auch Gewürze, einen Stabmixer, eine Waage und Messbecher dabei. Wenn ich mit dem Auto anreise, dann nehme ich fast die ganze Küche mit», sagt Bruno lachend.
Fragt man Bruno, was ihn immer wieder dazu bewege, an den Delegationsreisen teilzunehmen, braucht er nicht lange zu überlegen. Es sind nicht die Wettkämpfe, die ihn antreiben. «Es ist die Stimmung im Team, vor und nach den Rennen. Es fühlt sich an wie eine Familie, die sich einmal im Jahr trifft», erklärt Bruno. Dieses familiäre Gefühl versucht er auch auf den Teller zu bringen. Für ihn steht nicht nur die Ernährung der Athletinnen und Athleten im Mittelpunkt, sondern auch die Gemeinschaft und die Wertschätzung, die ihm entgegengebracht wird. «Die Mechaniker, die Physiotherapeutinnen und -therapeuten und einfach alle, die im Hintergrund arbeiten, sind es, die mich jedes Mal aufs Neue motivieren», sagt er. «Und die glücklichen Gesichter der Athleten und Athletinnen, wenn wir uns auf den Reisen wiedersehen – das ist unbezahlbar.»
Kreativität statt Standardmenüs
Bruno beschreibt seine Rolle bescheiden als kleinen Teil eines grossen Ganzen. Hört man sich um, wird rasch klar, dass er untertreibt: Er ist längst zu einem unverzichtbaren Teil des Swiss Cycling Teams an internationalen Wettkämpfen geworden. Dies lässt sich auch erkennen, wenn Athletinnen und Athleten über Bruno sprechen. MTB-Spezialistin Sina Frei hat auf Reisen vieles mit Bruno erlebt. «Wir haben schon oft zusammen gelacht und unzählige lustige Momente erlebt. Es ist immer ein Highlight, wenn Bruno dabei ist und unter anderem das Frühstücksbuffet zubereitet», sagt die Zürcherin. Bei Bruno sei es «fast wie bei den Grosseltern», ergänzt Stefan Bissegger mit einem Lächeln. «Er hat immer noch einen Trumpf im Ärmel, es wird immer noch mehr aufgetischt», erzählt Bäckersohn Bissegger, der Bruno an der WM 2023 in Glasgow zuweilen in der Küche unterstützte.
Wer denkt, dass Bruno nach all den Jahren seine Standardmenüs kocht, liegt falsch. Im Gegenteil: Er liebt es, kreativ zu sein, neue Rezepte auszuprobieren. Dank seiner Ausbildung zum Diätkoch weiss er genau, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung ist und wie man individuelle Bedürfnisse befriedigt. «Ich versuche, die Vorstellungen von Sportlerinnen, Sportlern und Staff-Mitgliedern allesamt in die Planung zu integrieren», hält er fest. Selbst ausgefallene Wünsche wie etwa Teigwaren mit Schokoladensauce als Pre-Race Meal erfüllt er gerne. Sina Frei lobt ihn genau für diese Kreativität und die neuen Rezepte, die er bei den Delegationsreisen mitbringt. «Obwohl Bruno schon älter ist, bildet er sich stetig weiter und kocht Menüs, die im Trend liegen. Er gibt immer 200 Prozent, wir können seine Freude am Kochen förmlich spüren», sagt Frei. Dieses kreative Denken und sein Engagement spiegeln sich auch in seinen Rice Cakes wider. «Es gibt nicht nur eine Sorte, sondern gleich drei, damit jede und jeder etwas Passendes findet», lässt Bruno schmunzelnd verlauten.
Fehlt etwas, wird improvisiert
Das Kochen auf Delegationsreisen ist nicht immer einfach. Oft kennt man die Gegebenheiten vor Ort nicht und muss improvisieren. «Die Küchenausstattung und die Möglichkeiten des lokalen Küchenpersonals werden oft zur Herausforderung», erzählt Bruno, der vor seiner Pensionierung 41 Jahre lang als Koch und Küchenchef in einem Altersheim tätig war.
Ein besonders extremes Beispiel erlebte er anlässlich der Strassen-WM 2022 in Wollongong. In Australien war die Küche derart schlecht ausgestattet, dass er kurzerhand einen Foodtruck organisieren musste, um das Team nach seinen Vorstellungen angemessen versorgen zu können. Doch für Bruno gibt es immer eine Lösung. Notfalls steht er frühmorgens mit einer Stirnlampe in der Apartmentküche und bereitet das Rührei für die Athletinnen und Athleten zu.
«Es ist anstrengend, aber genau das ist es, was mich immer wieder antreibt», sagt Bruno. Die Menschen, die er auf den Delegationsreisen kennenlernt, die neuen Länder und Regionen, die er erkunden kann – auch wenn er oft primär den lokalen Supermarkt oder mal ein Café zu Gesicht bekommt: Das sind für ihn besondere Erlebnisse – genau wie die Gemeinschaft, die entsteht, wenn er mit den Hotelküchencrews zusammenarbeitet.
Es ist allen bewusst, dass «Bruno the Chef» nicht mehr ewig mit Swiss Cycling um den Globus reisen wird. Gleichzeitig hoffen alle, dass seine Motivation ihn noch möglichst lange auf Trab hält und sie weiterhin selbst in entlegensten Gegenden ein Stück liebevoll zubereitete Heimat auf dem Teller geniessen können.