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Monatsinterview

„Du musst ein bisschen der Draufgänger sein.“

Hervé Krebs (hier mit Eloïse Donzallaz) ist seit 2017 als Nationaltrainer bei Swiss Cycling tätig. Bild: Nico van Dartel

Der Juli ist der Höhepunkt des BMX-Jahres: Auf die Schweizer Meisterschaften folgen die Europameisterschaften und die Weltmeisterschaften. Vor den globalen Titelkämpfen in Zolder spricht Frauen-Nationaltrainer Hervé Krebs über die generelle Entwicklung und den Werdegang von Talenten wie Zoé Claessens.

Bei den Schweizer BMX-Pilotinnen sticht die Überlegenheit der Jugend ins Auge. Gleich mehrere Teenager gehören in ihren Jahrgängen zu den Weltbesten. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?

Wohl am ehesten mit der in den letzten Jahren erfolgten Änderung des Pistenformats mit einer hohen Startrampe und einem grossen Sprung auf der ersten Geraden. Mehrere Athletinnen bekundeten Schwierigkeiten, sich den neuen Standards anzupassen, was in der Schweiz bei den Frauen zu einer beträchtlichen Lücke geführt hat. Die Mädchen, die sich jetzt im Juniorinnenalter befinden, sind mit dieser neuen Art von Strecke aufgewachsen. Sie sind es sich gewohnt, von der hohen Startrampe aus Vollgas zu geben.

BMX ist eine schnelle und spektakuläre Sportart mit hoher Sturz- und Verletzungsgefahr. Lassen sich bei den Athletinnen bestimmte Charakterzüge erkennen, oder handelt es sich um völlig unterschiedliche Persönlichkeiten?

Es ist sehr interessant, die verschiedenen Facetten der Persönlichkeit von BMX-Fahrerinnen zu beobachten. Die Athletinnen können sehr „feminin“, also grazil und auch schüchtern sein. Aber wenn sie sich auf das Velo setzen, haben sie keine Angst, sich von 10 bis 12 Meter hohen Rampen hinunterzustürzen. Im BMX musst du definitiv ein bisschen der Draufgänger sein. Jene Mädchen, welche diese generell eher mit Männer assoziierte Bereitschaft zur Kompromisslosigkeit in sich tragen, bringen es sicherlich etwas weiter als die anderen.

Welche sind die wichtigsten Eigenschaften, die eine junge Athletin oder ein junger Athlet besitzen muss, um auf höchstem Niveau erfolgreich sein zu können?

Das Wichtigste ist, auf dem Velo technisch stark zu sein. An der körperlichen Leistungsfähigkeit und am Tempo kann gearbeitet werden, aber der Rückstand, den man sich im technischen Bereich einhandelt, lässt sich mit zunehmendem Alter nicht mehr wettmachen.

„Mittlerweile wird bei der UCI über die Einführung der U23-Kategorie diskutiert.“

Junge Frauen erreichen die körperliche Reife in der Regel schneller als junge Männer. Wie gross ist der Unterschied zwischen der 18-jährigen Zoé Claessens und der 25-jährigen Elite-Europameisterin Laura Smulders?

Auch wenn sich Mädchen schneller entwickeln als Knaben: Es besteht eine beträchtliche Differenz. Zwischen Zoé und Laura liegen sieben Jahre Erfahrung. Erfahrungen auf höchstem Niveau lassen sich nicht kompensieren, die muss man machen. Dieser Unterschied muss sich auf dem Velo spiegeln. Dann kommen sieben Jahre Training im Kraftraum dazu – ein klarer Vorteil in Sachen Power.

In welchem Alter erreichen die jungen Frauen ihr maximales Leistungsvermögen?

Das ist sehr individuell, aber in der Regel erreichen sie es früher als die jungen Männer. Um ein bekanntes Beispiel zu nennen: David Graf ist mit fast 30 Jahren immer noch auf höchster Ebene konkurrenzfähig, während es kaum über 27-Jährige Frauen gibt, die noch mitzuhalten vermögen. Die Karrieren der Frauen sind in der Regel kürzer als jene der Männer.

Zoé Claessens ist in einer BMX-Familie aufgewachsen. Ist es im BMX-Sport überhaupt denkbar, ohne grössere familiäre Unterstützung eine Karriere aufzubauen?

BMX ist sicherlich eine Familiensportart, die in den ersten Jahren grosse elterliche Unterstützung erfordert. Anderseits wird ein Kind, dem alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden und dem mit zwölf Jahren ein Karbonrad geschenkt wird, auf der Strecke sicher nicht die gleiche Aggressivität an den Tag legen wie jemand, der hart kämpfen musste, um in die gleiche Ausgangslage zu gelangen. Probleme zu meistern, verleiht dir eine gewisse Stärke.

Weil es im BMX-Sport keine U23-Kategorie gibt, ist der Sprung von den Juniorinnen zur Elite sehr gross. Eloïse Donzallaz zum Beispiel gehörte bei den Juniorinnen zu den Besten. Nun muss sie bei der Elite antreten und findet sich in der Rangliste ziemlich weit hinten wieder. Was läuft in den Köpfen der betroffenen Athletinnen ab?

Der Aufstieg von der Kategorie der unter 16-Jährigen zu den Juniorinnen ist mit einem grossen Schritt verbunden, aber der Sprung zwischen Juniorinnen und Elite ist noch grösser. Schlechter werdende Resultate lösen oft Fragen und Zweifel aus. Das gilt auch für die Jungs. Gil Brunner, Noah Breschan und Cedric Butti befinden sich in der gleichen Lage wie Eloïse.

Wie geht man als Coach mit den Athleten in diesem Fall um?

Du musst mit kleinen persönlichen Herausforderungen vertrauensvoll arbeiten. Vor allem geht es mehr um den langfristigen Fortschritt als um die unmittelbaren Ergebnisse. Eloise versteht, dass ihre ersten beiden Elitejahre nicht einfach sein werden und es primär darum geht, Erfahrungen zu sammeln. Mittlerweile wird bei der UCI über die Einführung der U23-Kategorie diskutiert.

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