Swiss Cycling Insights
Die Verteilung der Muskeltypen ist fast ausschliesslich genetisch bedingt
Bild: Buchli Fotografie
Beim zweiten Teil der auf Nachwuchsathleten ausgerichteten Experten-Videoserie „Swiss Cycling Insights“ handelt es sich um die Einführung in die Trainingshierarchie. Sportwissenschaftler Lucas Schmid spricht über den Einfluss der Gene auf die physische Leistungsfähigkeit des Menschen. Das Wichtigste aus seinem Videobeitrag (unten) wird hier schriftlich festgehalten.
Lucas Schmid
Der Sportwissenschaftler ist bei Swiss Cycling als Ausbildungsverantwortlicher tätig.
Die Trainingshierarchie besteht aus fünf Stufen:
- 1. Gene
- 2. Trainingsvolumen und -frequenz
- 3. Intensitätsverteilung
- 4. Periodisierung/Timing
- 5. Fancy Stuff (z.B. Supplemente und Höhentraining)
Der Einfluss der einzelnen Stufen auf die Leistungsfähigkeit wird von Punkt 1 bis Punkt 5 kontinuierlich geringer. Bei der Trainingshierarchie geht es demnach primär darum, die richtige Prioritätensetzung im Trainingsalltag aufzuzeigen.
Oft wird von Nature vs. Nurture gesprochen, von Natur gegen „Umwelt“. Nature stellt das Erbgut dar, also die Gene; das wird auch als Talent bezeichnet. Nurture umschliesst alle Faktoren, die von aussen auf den Körper einwirken. Auf obenstehender Liste umfasst «Nature» die Ziffer 1. «Nurture» umschliesst die Ziffern 1 bis 5.
Bei den Genen handelt es sich um das Erbgut von Mutter und Vater. Die Gene bestimmen den Bauplan unseres Körpers – und sie haben auch einen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit.
Das lässt sich am Beispiel des Geschlechts illustrieren. Es sind allein die Gene, welche entscheiden, ob ein Kind als Mädchen oder als Knabe geboren wird. Zwischen den besten Männern und den besten Frauen registrieren wir vor allem bei Kraft- und Ausdauersportarten einen Leistungsunterschied von 9 bis 15 Prozent. Aus diesem Grund gibt es im Sport die Kategorien Frauen und Männer.
In unserem Körper gibt es Muskeln, die uns helfen, schnell zu sprinten – und es gibt Muskeln, die uns helfen, lange Rad zu fahren. Die Verteilung der Muskeltypen ist fast ausschliesslich genetisch bedingt.
Die Gene haben nicht nur einen grossen Einfluss auf die körperlichen Voraussetzungen, sondern auch einen grossen Einfluss auf die Trainierbarkeit. Es geht um die Frage, wie der Körper einen Trainingsreiz verarbeitet; ein gutes Beispiel ist das Ausdauertraining. Es gibt Menschen, die können ihre Ausdauerleistung mit Training kaum verbessern. Andere Menschen wiederum können ihre Ausdauerleistung mit Training um ein Vielfaches verbessern.
Der Sportwissenschaftler Ross Tucker hat es mit folgender Aussage auf auf den Punkt gebracht: «Die Ausschöpfung des genetischen Potenzials durch das geeignete Training bringt grossartige Leistungen hervor. Training sollte als Realisation des genetischen Potenzials verstanden werden.»
Eigentlich müsste es nicht Nature vs. Nurture (also Natur gegen Umwelt), sondern eher Nature mal Nurture heissen. Die Umwelt interagiert mit den Genen. Abstrahiert betrachtet handelt es sich bei der Umwelt und den Genen um Faktoren. Wer sie multipliziert, gelangt zum Produkt.
Fragen an den Spezialisten?
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