Hiltis Corner
Der Patron in Blazer und Krawatte
«So, Sie sind der Neue im BLICK-Team. Schriibet Sie dänn kein Seich.» Es ist der 11. Juni 1980 in Rheinfelden, der erste Tag meiner ersten von mittlerweile 39 Schweizer Landesrundfahrten. Kollege Serge Lang hat mich – wie damals üblich – dem Tour de Suisse-Direktor Sepp Voegeli vorgestellt.
Meine erste Rundfahrt überhaupt! Ich mache täglich neue Erfahrungen. Was für ein Tag es ist, wird schnell vergessen. Man lebt nach Etappen. Zielorte bestimmen das Leben. Zuerst geht alles verflucht langsam, dann fliegen die Tage dahin. Die Hektik nimmt zu.
Rund um Voegeli, bis 1991 TdS-Direktor, gab es die herrlichsten Geschichten. Ein Graus waren ihm bärtige und langhaarige Radprofis. «Gönd sie ändli zum Coiffeur», sagte er dem langhaarigen Holländer Henk Lubberding, als dieser auf dem Siegerpodest stand.
Zu bedauern war Mario Beccia, Gesamtsieger 1980. Als der Italiener sich nach der 10. Etappe in Glarus (die Tour de Suisse umfasste damals 12 Etappen) das Gesicht wusch und das Rennkäppi zur Seite legte, traf Voegeli fast der Schlag: Der neue Mann im Goldtrikot ein Glatzkopf – das durfte ja nicht wahr sein. «Leget sie s’Käppli a, bevor sie ufechömmet», brüllte Vöegeli.
Er war der letzte Tour-Direktor, der auch im Begleittross für korrekte Kleiderordnung sorgte. Der Patron in Blazer und Krawatte stauchte den damaligen Raleigh-Teamchef Peter Post (Ho) zusammen, weil dieser sich mit nacktem Oberkörper ans Steuer gesetzt hatte. Nach der Schelte gehörte der Sechstagekönig (65 Siege) zu den bestgekleideten Sportlichen Leitern.
Hiltis Corner
Hans-Peter Hildbrand, Jahrgang 1956, seit 1980 Radsport-Journalist beim Blick/Sonntagsblick. Palmarès als Chronist: 39-mal Tour de Suisse, 35-mal Tour de France, 31-mal Tour de Romandie, 5-mal Spanien-Rundfahrt, je rund 30-mal Paris–Roubaix, Flandern-Rundfahrt, Lüttich–Bastogne–Lüttich, 30 Weltmeisterschaften (Strasse, Bahn, Quer) – ohne Sieg, mit nur einem Blechschaden!