Top Tour
«Das Schwierigste war die Ungewissheit»

Radsport mit atemberaubender Aussicht: An Top-Tour-Events wie hier an der Säntis Classic ist das Naturerlebnis garantiert Bild: Emilie Lienhard/Säntis Classic
Daniel Markwalder, der Kopf hinter der zur Swiss Cycling Top Tour gehörenden Säntis Classic, spricht über die Organisation von Massen-Radsportveranstaltungen während der Corona-Pandemie. «Wir mussten das Schutzkonzept sieben Mal umschreiben», hält der Thurgauer fest.
- Am 11. Juli 2021 fand die Säntis Classic nach der Absage im Vorjahr erstmals während einer Pandemie statt. Wie fällt die Bilanz des OK-Chefs aus?
Daniel Markwalder: Sehr positiv, wirklich sehr positiv; es hat sich gelohnt, den gewaltigen Aufwand zu betreiben – nur schon wegen den vielen glücklichen Gesichtern. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren erfreulich bis herzerwärmend. Und wir erhielten die Bestätigung, vieles richtig gemacht zu haben.
- Woran denkst du konkret?
2019 gab es einen Unfall, der betroffene Teilnehmer war mit einem Triathlon-Lenker unterwegs gewesen. Daraufhin haben wir gemeinsam mit der Polizei unser Konzept überarbeitet. Nun sind nur noch Velos mit herkömmlichen Lenkern zugelassen, und wir lassen die schnellen Teilnehmenden zuerst starten. Wir haben Gefahren eliminiert und bei der Polizei Vertrauen hinzugewonnen.
- Ihr habt den Event wegen der Pandemie um sechs Wochen verschoben. Welches war die höchste Hürde, welche es zu überwinden galt?
Im Zusammenhang mit der Verschiebung sicherlich die Helferfrage. Wir mussten innerhalb des OKs klären, wer verfügbar ist. Das klingt einfacher, als es ist. In unserem OK arbeiten seit Jahren die gleichen Leute. Da ist viel Knowhow vorhanden, das kann man nicht einfach ersetzen. Schwieriger als die Verschiebung an sich waren jedoch die generellen Auswirkungen der Pandemie.
- Was war hierbei die grösste Herausforderung?
Das Schwierigste war die Ungewissheit. Wir waren in stetem Kontakt mit der Covid-Zentrale des Kantons Thurgau. Die definitive Startfreigabe erhielten wir jedoch erst am Donnerstag-Nachmittag, also weniger als zwei Tage vor Beginn des Events. Da waren Nerven gefragt, vor allem, als es darum ging, ob wir die Verpflegung nun bestellen und damit die grossen Beträge auslösen wollen.
- Wie verliefen Ausarbeitung und Umsetzung der Covid-Schutzmassnahmen?
Das Resultat war ausgezeichnet, der Weg zu diesem Resultat hingegen steinig gewesen. Wir mussten das Schutzkonzept sieben Mal umschreiben. Die Umsetzung der Massnahmen war insofern aufwendig, als wir das Gelände mit hohen Gittern absperren und externes Sicherheitspersonal engagieren mussten. Die Reaktionen auf unsere Schutzmassnahmen waren teilweise heftig, das hatte ich so nicht erwartet.
- Inwiefern?
Ich erhielt über 200 Mails von Leuten, die sich angegriffen fühlten – in erster Linie wegen der Zertifikatspflicht. Teilweise gingen die Reaktionen unter die Gürtellinie. Als Veranstalter musst du das ausblenden, von dir fernhalten können. Für mich ist die Organisation der Säntis Classic ein Hobby. Ich tue das aus Freude am Velofahren, und weil ich anderen etwas bieten möchte. Wenn du solche Reaktionen an dich heranlässt, hörst du eher früher als später auf.
- Hatte die Verschiebung auch Vorteile?
Auf jeden Fall. Viele Leute waren bereits in den Ferien, auf der Schwägalp hatte es daher weniger Verkehr. Zumal ist die Wahrscheinlichkeit auf gutes Wetter tendenziell höher. Für uns war es ein guter Test, weil wir schauen konnten, wir der Event aussähe, wenn er in den Sommerferien stattfände. Wir bleiben jedoch beim alten Termin – primär wegen der Verfügbarkeit der Helfer.
- Am 11. Juli standen knapp 1000 Personen am Start, 2018 waren es 2300 gewesen. Was bedeutet dieser Rückgang in finanzieller Hinsicht?
Es war schräg. 20 bis 25 Prozent der Angemeldeten erschienen nicht – vermutlich wegen Corona, wir wissen es nicht. Zudem führten wir in diesem Jahr nur die Classic Tour und den Radathlon durch. Bei den leistungsorientierten Hobbysportlerinnen und –sportlern waren die Zahlen deshalb ähnlich wie bei den vergangenen Austragungen. In finanzieller Hinsicht sind die Folgen des Nicht-Erscheinens überschaubar, weil die Startgelder bereits bezahlt waren. Entscheidend ist für uns, dass wir den durch die Covid-Schutzmassnahmen entstandenen Mehraufwand über das Stabilisierungspaket Sport des Bundes decken können.
- Die Säntis Classic fand in diesem Jahr bereits zum 21. Mal statt. Was muss ein Breitensport-Radanlass beinhalten, damit er zur Erfolgsgeschichte wird?
Das Wichtigste ist, ein stabiles OK zu haben, also Helfer, die sich mit dem Anlass identifizieren. Bei uns gibt es solche, die für den Anlass zwei Wochen Ferien nehmen; unser Kernteam ist fast wie eine Familie; dazu musst du Sorge tragen. Ansonsten ist entscheidend, dass alles reibungslos abläuft, der Service für die Teilnehmenden perfekt ist. Das beginnt am Morgen bei den Parkplatzeinweisern. Haben die eine gute Laune, überträgt sich das auf die Teilnehmenden.
- Ranglisten sucht man bei der Säntis Classic vergebens. Was steckt dahinter?
Bei uns steht das Erlebnis im Zentrum; wir führen kein Rennen durch. Bei uns melden sich viele Genussmenschen an, die gemeinsam mit Kollegen velofahren wollen; wir haben mit ungefähr einem Viertel aller Teilnehmenden auch einen sehr hohen Frauenteil. Etliche Teilnehmer bereiten sich bei uns jeweils auf das Alpenbrevet vor. An der Säntis Classic nehmen sie die Freundin mit, beim Alpenbrevet geben sie dann Vollgas. Die Bedürfnisse der Velofahrenden sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, dass die Events der Swiss Cycling Top Tour unterschiedlich ausgestaltet sind.
- Was wünschst du dir für die Säntis Classic 2022?
Das gleiche wie vermutlich alle Event-Veranstalter: Kein Covid, keine Einschränkungen, wir würden einfach gerne auf unserem gewohnten Niveau weitermachen.
«Bei uns gibt es solche, die für den Anlass zwei Wochen Ferien nehmen; unser Kernteam ist fast wie eine Familie; dazu musst du Sorge tragen.»
Initiant und Organisator
Daniel Markwalder (50) spielte als Jugendlicher Eishockey, kam über die Rekrutenschule zum Radsport, bestritt für den VC Bürglen-Märwil Amateur-Strassenrennen. Aus einer jährlichen Velotour mit Freunden auf die Schwägalp heraus entstand die Säntis Classic, welche er mit seinem Team in diesem Jahr zum 21. Mal durchführte. Markwalder lebt mit seiner Familie in Weinfelden.