WM Imola
«Beissen und Vollgas geben»
Mit Marlen Reusser hat die Schweiz gleich zum Auftakt der Strassen-WM in Italien einen ersten Trumpf in der Hand. Nach dem Gewinn von EM-Bronze vor Monatsfrist nimmt die Bernerin im Zeitfahren am Donnerstag erneut das Podest ins Visier.
Vor einem Jahr fuhr Marlen Reusser im WM-Zeitfahren in Yorkshire als Sechste mitten in die Weltspitze. Dabei war ihre Vorbereitung alles andere als optimal verlaufen. Bei einem Sturz hatte sie sich zwei Monate zuvor das Kreuzbein gebrochen. Für die ausgebildete Ärztin, die erst seit Mitte 2017 Rennen bestreitet, war es nicht der erste gesundheitliche Rückschlag in ihrer noch jungen Karriere als Radsportlerin.
Auf die Zähne beissen, dass kann die 28-Jährige aus Hindelbank, die in einer Bauernfamilie aufgewachsen ist, ausgesprochen gut. Auch am Donnerstag wird wieder viel Leidensbereitschaft gefragt sein. „Gerade weil die Strecke so flach ist, erfordert sie nicht nur physische sondern auch mentale Stärke“, beschreibt Reusser den knapp 32 km langen Zeitfahr-Parcours rund um Imola, der dazu auch technisch kaum Schwierigkeiten aufweise. „Durchgehend beissen und Vollgas geben“ lautet deshalb ihr Motto.
«Am Ende braucht es auch eine gewisse Lockerheit»
Nicht nur mit der Strecke, auch mit der Konkurrenz hat sich Reusser im Vorfeld ausführlich befasst. Zwar wird die amtierende Strassen-Welt- und -Europameisterin Annemiek van Vleuten, die aktuell wohl stärkste Fahrerin im Frauen-Radsport, zumindest das WM-Zeitfahren aufgrund eines gebrochenen Handgelenks verpassen. Trotz der Absenz der Zeitfahr-Weltmeisterin von 2017 und 2018 haben die Niederländerinnen mit Anna van der Breggen und Ellen van Dijk aber nach wie vor zwei potentielle Siegfahrerinnen in ihren Reihen. Auch die amerikanische Titelverteidigerin Chloe Dygert-Owen und ihre Landsfrau Amber Neben sowie die beiden Deutschen Lisa Brennauer und Mieke Kröger zählt Reusser zum Kreis der Medaillenkandidatinnen.
Und sie selbst? „Ich denke, ich gehöre auch in diesen Kreis“, gibt sich die Schweizer Strassen- und Zeitfahr-Meisterin selbstbewusst. Sie sei im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser in Form, habe nochmals viel dazu gelernt und eine ideale Vorbereitung genossen. „Ich werde alles geben für eine Medaille, werde mir selber aber nicht zu viel Druck machen. Am Ende braucht es auch eine gewisse Lockerheit.“
Läuft alles nach Plan, könnte Reusser die erste Schweizer Frau seit Karin Thürig im Jahr 2006 werden, die an einer WM bei der Elite eine Medaille gewinnt.