Netzwerkanlass
Ausgewogenes MTB-Netz, Koexistenz und Finanzierung – die Themen am Netzwerkanlass
Mit der Anfang 2023 lancierten Mountainbike-Plattform hat sich Swiss Cycling zum Ziel gesetzt, die MTB-Bewegung schweizweit zu koordinieren und als Bindeglied zwischen den kantonalen MTB-Vereinen zu agieren. In diesem Sinne bot die Durchführung des ersten Netzwerkanlasses am Dienstag, den 12. September, in Bern Vertreter/-innen von Vereinen aus der ganzen Schweiz die Möglichkeit, sich nicht nur untereinander, sondern auch mit nationalen Organisationen und anderen relevanten Akteuren auszutauschen.
Weshalb ist dieser Austausch so wichtig? Mit Inkrafttreten des Veloweggesetzes Anfang 2023 hat sich ein politisches Aktionsfenster geöffnet. Tatsächlich müssen die Kantone in den nächsten fünf Jahren Velowegnetze für Alltag und Freizeit erstellen. Damit auch die Bedürfnisse der Bikenden in diesem Prozess berücksichtigt werden, ist es wichtig, dass den kantonalen MTB-Vereinen die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, um ihre Interessen auf dem politischen Parkett vertreten zu können. Neben der administrativen Unterstützung, Praxisbeispielen und Weiterbildungsangeboten möchte Swiss Cycling mit der MTB-Plattform und dem Netzwerkanlass einen interkantonalen Austausch ermöglichen: Die Erfahrungen der fortgeschritteneren Kantone können den Kantonen mit MTB-Infrastrukturen, die noch nicht der Nachfrage entsprechen, helfen. Im Schwellenmätteli in Bern haben sich rund 50 Personen einen Nachmittag lang zu Fragen der Koexistenz, der Infrastrukturfinanzierung und der Notwendigkeit eines ausgewogenen, landesweiten MTB-Netzes ausgetauscht.
In der ersten Hälfte des Nachmittags haben zwei Referenten und eine Referentin ihre Erfahrungen mit sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene verankerten Projekten präsentiert. Zunächst hat Luca Micheli den BikePark Valbirse, im Berner Jura auf 800 m.ü.M. gelegen, vorgestellt. Eine Gruppe Mountainbiker hatte sich zum Ziel gesetzt, den Dorf-Skilift, welcher auf Grund des Schneemangels zum Scheitern verurteilt war, zu retten. Sie wollten eine Idee umsetzen, die zunächst in den Augen vieler abwegig schien. Dank enger Zusammenarbeit und vielen Diskussionen konnte die Projektträgerschaft fast das ganze Tal hinter sich vereinen. So war der BikePark zwei Jahre nach der ersten Präsentation vor den Gemeindebehörden bei seiner Eröffnung im April 2023 ein voller Erfolg – dies vor allem bei Familien, für die die kurzen und zugänglichen Trails ideal sind. Das Team möchte den BikePark ganzjährig betreiben können, daher der Slogan « un tire-fesse pour toute l’année » (dt. Ein „Füdlebagger“ fürs ganze Jahr).
Anschliessend stand bei der Präsentation von Severin Schindler, Mitinhaber des spezialisierten Unternehmens Vast, die Frage im Vordergrund, auf was geachtet werden muss, um erfolgreich praxisgerechte Trails zu entwerfen? Zunächst müssen viele rechtliche Grundlagen sowie geologische und typologische Voraussetzungen beachtet werden. Auch die Zielgruppe muss einbezogen werden: Tourismus oder lokale Feierabend-Bikende? Hier wies Severin darauf hin, dass sich der Grossteil der offiziellen Mountainbike-Routen in den Alpen und der Jurakette befinden, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung im Mittelland lebt. Schliesslich kam auch das Traildesign ins Spiel. Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Aspekte ist ein Prozess von mehreren Jahren sowie eine beträchtliche finanzielle Investition erforderlich, bevor ein fertiger Trail bereitsteht, wobei die laufende Instandhaltung des Trails nicht zu vergessen gilt. Er zeigte, dass eine kohärente und praxisgerechte Mountainbike-Infrastruktur nicht unbedingt ein Selbstläufer ist und harte Arbeit erfordert.
Dritte und letzte Referentin war Mariette Brunner, Präsidentin von Loipen Schweiz., die über den Loipenpass sprach. Mit einem Jahresbeitrag beteiligen sich die Langläufer/-innen am Unterhalt der Loipen und der Infrastrukturfinanzierung. Das Geld wird gemäss eines Verteilschlüssels an die Mitgliedsorganisationen zurückgegeben. Dieser Schlüssel wird anhand verschiedener Kriterien festgelegt, wie z.B. Gesamtloipenkilometer, Qualität der Loipen, angebotene Aktivitäten, zur Verfügung gestellte Infrastruktur oder Sicherheit. Diese Präsentation sollte einen Denkanstoss liefern, ob ein vergleichbares, nationales System fürs Mountainbiken sinnvoll sein könnte.
Nach Kaffee und Zvieri haben sich die Moderatorin Jeannine Borer, Susanne Gries (Swiss Cycling), Olivia Grimm (Schweizer Wanderwege), Dominik Matter (Mountain Wilderness) und Dave Spielmann (SchweizMobil) in der Podiumsdiskussion über die nachhaltige Entwicklung des Mountainbikens in der Schweiz ausgetauscht. Die Diskussion drehte sich zunächst darum, dass MTB-Vereine ihren Einfluss jetzt unbedingt geltend machen müssen, da die fünfjährige Planungsphase, in der die Kantone das Freizeitnetz planen, bald zu Ende ist. Insbesondere im Mittelland braucht es mehr Bewegung: Die Nachfrage übersteigt die vorhandene Infrastruktur bei weitem. Dave Spielmann meinte, man könne überall besser werden: „Sogar in den Tourismusregionen, die bereits weiter sind. Idealerweise sollte ein einheitliches Basisnetz entstehen, mit zusätzlichem Raum für Kreativität.“ Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass die Organisation der Schweizer Wanderwege als Vorbild für die Mountainbike-Bewegung dienen könnte. Olivia Grimm stellte fest, dass das Mountainbiken „eine gesellschaftliche Entwicklung darstellt, die man nicht aufhalten kann“. In diesem Kontext seien Verbote keine gangbare Lösung: „Es ist besser, das Mountainbiken zu kanalisieren und den Nutzenden Alternativen anzubieten, wenn Trails in sensiblen Gebieten illegal befahren werden“ argumentierte Dominik Matter. Jedoch müsse gemäss Dave Spielmann die Alternative attraktiv sein: „Ein Trail zum Zeigen, dass man etwas gemacht hat, reicht nicht aus. Das Angebot muss der Nachfrage entsprechen.“ In diesem Sinne hat Susanne Gries die Notwendigkeit unterstrichen, die MTB-Organisationen miteinzubeziehen, sei dies auf lokaler, kantonaler oder nationaler Ebene: „So können die tatsächlichen Bedürfnisse der Bikenden miteinbezogen werden. Die Kommunikation zwischen den Ebenen ist wichtig, damit sich die Vereine gegenseitig stärken können.“ Grundsätzlich bestand Einigkeit darüber, dass die Koexistenz auf Wanderwegen sinnvoll ist. Um die Eingriffe in die Natur zu minimieren, sollte eine Trennung der Nutzenden nur da geschehen, wo die Sicherheit durch hohe Frequenz nicht mehr gewährleistet werden könne.
Die Einführung eines Passes analog dem Loipenpass hat unter den Teilnehmenden auf dem Podium hingegen weniger Zuspruch gefunden. Die Finanzierung solle grundsätzlich durch die öffentliche Hand erfolgen – so eine der Hauptbotschaften des Nachmittags. Die Unterstützung durch Clubs und Vereine, sei dies finanziell oder in Form von ehrenamtlicher Arbeit beim Bau und der Instandhaltung der Trails, bleibe dennoch wichtig, zumal die Mountainbike-Gemeinschaft bereit sei, sich zu engagieren. Für letztere gehe es aber auch darum, Druck auf die Behörden auszuüben, um eine zufriedenstellende Umsetzung der durch das Veloweggesetz entstandenen Verpflichtungen zu gewährleisten.
Am Ende des Nachmittags lud ein Apéro zum „Netzwerken“ ein. Der lockere Austausch ist auch ein Teil des Wissens- und Erkenntnistransfers, den Swiss Cycling mit diesem Anlass ermöglichen wollte. Kein Zweifel, dass diese Diskussionen auf fruchtbaren Boden stiessen, um – Pedaltritt für Pedaltritt – das Mountainbiken in unserem Land weiterzubringen!