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Aus der Musette

Schreie im Ohr, Support aus dem Auto

Als junge Strassenfahrerin war es immer mein Traum, mit dem berühmten Funk zu fahren. Wie cool muss es sein, wenn man einfach so übers Mikrofon mit seinen Teamkolleginnen und dem Teamauto kommunizieren kann? Und sieht es nicht super professionell aus? Weniger professionell war es jedoch, jahrelang mit der falschen Definition des Begriffs «sticky bottle» im Kopf herumzufahren.

Was ich lange nicht wusste, und ehrlich gesagt, kenne ich die Details bis heute nicht, ist, dass Funkverbindungen nicht bei jedem Rennen zugelassen sind. Nur UCI-Rennen bestimmter Kategorien erlauben den Einsatz von Funkgeräten, an Kontinental- sowie Weltmeisterschaften fährt man ohne den Knopf im Ohr.

Was wird denn genau über den Funk kommuniziert? Meistens informiert der Sportliche Leiter aus dem Teamauto über die Rennsituation, die Streckenführung oder erinnert an die Teamtaktik. Geht eine Fahrerin nach hinten zum Teamauto, um frische Bidons zu holen, kann sie auch den Teamkolleginnen eine Flasche mitbringen und dies über Funk signalisieren. Zudem kann man sich gegenseitig unterstützen und über Geschehnisse im Feld informieren. Ich persönlich fahre gerne mit Funk. Vor allem in Situationen, in welchen man leidet, ist es sehr motivierend, eine Stimme im Ohr zu haben, die dich noch mehr pusht. Gleichzeitig kann es sehr mühsam sein. Wenn zum Beispiel ein spanisches Team auf der gleichen Frequenz kommuniziert und dir immer wieder jemand ins Ohr schreit. Oder wenn du die Lautstärke einfach etwas zu hoch eingestellt hast und sich bei jedem Funkspruch alles in dir verkrampft, weil die Stimme so laut ist. Ich persönlich tue mich immer sehr schwer zu verstehen, was andere Fahrerinnen sagen. Meistens brauche ich die «Es-war-im-Wind-und-auf-Englisch-mit-Akzent»-Ausrede, aber diese Ausrede zieht leider nicht, wenn deine Teamkolleginnen Deutsch mit dir sprechen. Aber wie gesagt, es sieht cool aus – immerhin.

Ein typischer Radsportbegriff ist «sticky bottle». Als junge Fahrerin dachte ich immer, dass man mit «sticky bottle» einen Bidon meint, in welchem sich ein sehr stark angerührter Energydrink befindet. Und wenn man kleckert, dann klebt der Bidon. Punkt. Logisch oder nicht? Ha, weit gefehlt!

Wer schon einmal beobachtet hat, wie sich Fahrer zum Teamauto zurückfallen lassen und frische Trinkflaschen abholen, hat es bestimmt schon gesehen. Während der Fahrer die Flasche entgegennimmt, hält er sich oft etwas länger an der Flasche fest als nötig oder stösst sich daran ab. Auf diese Weise wird er vom Auto gezogen und kann dadurch kurzfristig Energie sparen. Abseits der Kameras können aus diesen wenigen Metern des Mitziehens ziemlich viele Meter werden, und so sind schon einige Fahrer erstaunlich schnell den Berg hochgekommen. Tja, je nach Müdigkeit der Fahrer blieben sie dann mal etwas länger an der Flasche und somit am Auto «kleben».

Natürlich werden diese Tricks nicht an der Spitze des Rennens oder in Schlussphasen angewendet. Ertappen Kommissäre einige Schlaumeier, die an der Flasche «klebenbleiben», wird das Vergehen natürlich bestraft.

Zur Autorin

Als Athletin dreht sich Michelle Andres, Jahrgang 1997, vornehmlich im Oval. Als Praktikantin bei Swiss Cycling lernt die Aargauerin den Radsport von einer anderen Seite kennen. Als Kolumnistin schreibt die Kommunikationsstudentin über Erlebnisse aus dem Rennfahrerinnenalltag.

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